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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen
Autoren: Noreen Ayres
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die sie während der ganzen Odyssee um den See festgehalten hatte.
    Dann mußten gewissen Stellen informiert werden. Ich rief die Polizei von Las Vegas an, als Ciprianos Körper durch die Doppeltür geschoben wurde. Sie machten sich sofort auf den Weg.
    Jetzt hatten wir etwa eine Stunde Zeit, und ich sagte zu Phillip: »Ich weiß nicht, warum sie das getan hat, Phillip.«
    Damit meinte ich Annie. »Wirklich nicht.« Mir war kalt und ich zitterte und fragte mich, wo meine Jacke war. Er saß mir gegenüber auf einer braunen Couch mit seinen Händen zwischen den Beinen, die er wie eine Wäscherin aneinanderrieb. Er sagte nichts und seufzte.
    Ich sagte: »Mir ist schon klar, daß du nicht mitzukommen bräuchtest.«
    »Du denkst jetzt, daß ich dich hasse«, sagte er.
    Ich nickte oder tat etwas ähnliches und stand auf und starrte an eine weiße Wand.
    Er sagte: »Du könntest eine Persönlichkeitsumwandlung gebrauchen.«
    Als ich ihn ansah, saß er cool und zurückgelehnt mit ausgestreckten Beinen da. Das Licht eines Fernsehers ohne Ton flackerte durch eine Explosion in einem Werbefilm und machte die feinen Linien in Phillips Gesicht zu tiefen Falten an den Ohren.
    Phillip sagte: »Ich sage jetzt etwas nur einmal und dann nie mehr, okay? Bleib’ von meinem Bruder weg. Ich will, daß er in Ruhe gelassen wird.«
    »Das obliegt anderen Menschen, meinst du nicht?«
    »Du kannst aber etwas dazutun, sozusagen als Wiedergutmachung.«
    »Ah, ich verstehe.«
    Er setzte sich aufrecht hin, zog seine Wangen ein und schaute zur Decke. Dann sah er mich an und sagte: »Vielleicht geht es dir besser, wenn du nicht mehr so nachtragend bist. Hast du darüber schon einmal nachgedacht?«
    »Ich kann gar nichts tun. Überleg’ doch mal, was du da sagst. Ich will auch gar nichts tun. Meine Freundin ist bei deinem Bruder, und ihr geht es nicht gut. Irgend etwas stimmt mit ihr nicht. Sie nimmt Drogen und ist nicht sie selbst.«
    »Nein, jetzt überleg’ du mal, was du da sagst. Deine Freundin lebt, nicht wahr? Du weißt nicht, ob sie nicht vorher auch schon Drogen genommen hat oder? Roland tut ihr nicht weh. Mein Bruder ist nicht mehr er selbst. Was er tat, tat er wegen ihr.«
    »Wegen wem? Patricia?«
    »Mutter.«
    »Du meinst Dwyer’s Kwik Stop«, sagte ich. »Sie meinen den Mord im Kwik Stop in Kalifornien.«
    »Ich meine, mein Bruder-« Er hörte auf zu reden, senkte den Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Mom hat uns manchmal aufgestachelt. Es ist nicht seine Schuld. Ich kann ihn beeinflussen, das weiß ich. Erwarte nicht von mir, daß ich das jemand anderem erzähle, aber ich sage dir, was an dem Tag passiert ist. Und du mußt es für dich behalten.« Seine Stimme senkte sich. »Klar?«
    Ich nickte kurz und setzte mich, aber schaute ihn nicht an.
    »Und so können wir alles hinter uns bringen. Du kannst aufhören, dir Sorgen über Patricia zu machen, weil es ihr gutgeht. Machst du mit bei dem Deal?«
    »Du kannst doch nicht wirklich annehmen, daß wir hier einen Deal machen«, sagte ich.
    »Okay, ich sage es dir trotzdem. Es liegt dann an dir. Ich bitte dich aber darum, mich in Ruhe zu lassen. Das kannst du doch wohl verstehen. Ich glaube nicht, daß du hysterisch bist. Ich glaube, du kannst damit umgehen oder nicht?«
    »Unter anderen Umständen würde ich dir sagen, du sollst abhauen.«
    »Gut. Es ist aber immer noch meine Mutter, die dort im Dreck liegt. Und du hast die Löcher in ihrem Körper verursacht.«
    Ich schlang die Arme um meinen Körper und beugte mich vor.
    »Ist dir schlecht?«
    »Nein.«
    »Okay.«
    Und dann erzählte er mir, was an dem Tag von Jerry Dwyers Mord geschah. Er sagte mir, daß er sich mit Roland und seiner Mutter am Kwik Stop getroffen hatten, um ein Ding zu drehen. Sei da oder bleib sauber, hatte Roland gesagt. Phillip wollte es nicht tun. Es war Jahre her, seit sie das letzte mal einen Laden ausgeraubt hatten. Roland sagte, daß sie Geld bräuchten für die Takelage aus Texas. Wir können innerhalb von Wochen reich sein, hatte er gesagt. Phillip sagte nein.
    »Aber mit meinem Bruder diskutiert man nicht«, sagte er. »Er ist total eigensinnig, immer schon gewesen.« Phillip hatte an diesem Tag keine Malerarbeiten und hatte morgens einen Termin beim Chiropraktiker. Aber er wußte nicht, wie er dort hinkommen sollte. Er hatte keinen Führerschein mehr und daran wollte er sich auch halten. Er wollte im Programm der Anonymen Alkoholiker bleiben, weil er sich nur so retten könne, sagte er.
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