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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen
Autoren: Noreen Ayres
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nicht reden. Stu wollte mich zum Bezirksidiotenarzt schicken, aber das lehnte ich ab. Wir haben zuviel zu tun, sagte ich; ich brauche das nicht. »Du glaubst nur, daß du das nicht brauchst«, sagte Stu. »Das wird dich einholen, und dann bist du völlig unfähig. Was die Kosten angeht, so sparst du dem Bezirk Geld, betrachte es mal so.« Stu Hollings ist nicht einer meiner Lieblingspersonen, soviel habe ich jetzt festgestellt. Er sagte: »Der Sheriff will, daß du das machst.« Ich sagte: »Der Sheriff kennt mich noch nicht mal.«
    Das Treffen mit dem Sheriff war gar nicht so schlecht. Er erzählte Kriegsgeschichten aus der Zeit als er auf Patrouille war. Er erzählte auch einen Witz über das Heiny- Lick-Manöver, dem Trick wo man jemanden umarmt, wenn er würgt. Bis zum letzten Moment schaute er mich nicht an, sondern Stu. Und dann wurden die erfahrenen Augen ruhiger, und er sagte: »Wir arbeiten mal und warten ab, Smokey. Arbeiten und warten.« Ich wußte nicht, was er meinte und weiß es auch heute noch nicht. Als wir uns die Hände schüttelten, verschwand meine vollkommen.
    Dann waren Stu und ich wieder draußen und gingen zum Labor, und ich sagte, klar, ich nehme den Nachmittag frei. Und ja, ich werde zu den Terminen gehen.
    Das war vor fünf Wochen. Ich habe weder mit Joe noch mit jemand anderem in den drei der fünf Wochen gesprochen, außer eines Anrufs, wo es um eine Frau ging, die ich treffen und ihr sagen mußte, wie es sich anfühlt, jemanden zu erschießen.
    Cipriano Rycken liegt im Koma, welches das Resultat des langen Anfalls ist. Sie nennen es status epilepticus. Die Muskeln seines Körpers haben sich so geschunden wie ein kaputter Motor. Diese Anstrengung der Muskeln erzeugt große Hitze, Hyperthermia, nennt es sich. Er hat sich fast zu Tode gekocht. Gekocht, nicht gewürgt, obgleich das auch möglich gewesen wäre. Andauernde Krämpfe zerstören die Muskelzellen, die Rückstände an die Nieren senden, die sich zusetzen und dann ausfallen. Er stirbt vielleicht.
    Ich dachte, als Phillip mir das Valium gab, daß wir ihn soweit hätten. Er zappelte nicht mehr so. Das Zittern nahm ab, obwohl er immer noch blau war und nach Luft schnappte. Jetzt leidet er an post-hypoxischer Encephalopathie oder Sauerstoffmangel.
    Phillip wußte, was er tat als er mir das Valium gab, aber es wäre besser gewesen, wenn er eine Spritze gehabt hätte. Nach Vegas war es eine Stunde Fahrt. Phillip saß vorne neben mir und Constance saß hinten mit Ciprianos Beinen auf ihrem Schoß, bis er wieder anfing zu zittern. Phillip sagte: »Setz’ dich auf seine Beine«, und ich sagte nein. Ich ließ sie nach vorne auf Phillips Schoß kommen. Sie blieb so in dieser gebeugten Position, bis wir auf den Freeway kamen. Zu dem Zeitpunkt konnte ich mein Autotelefon wieder benutzen, aber als wir den Arzt anriefen, sagte er, daß wir genauso schnell im Krankenhaus wären.
    Obwohl ich auf das Gaspedal drückte, mein Rücksitz von hinten getreten wurde und das jämmerlich aussehende Paar an meiner Seite hatte, konnte ich noch in meiner Erinnerung Patricia in ihren Shorts, ihrem Sweatshirt, den blauen Leinenschuhen und dem Tuch um den Hals sehen. Sie ging von mir weg und schaute zurück als sie um die Ecke der Hütte und des Ziegenstalls ging, so als ob sie mich nicht kennen würde und Angst vor mir hätte. Ich rief sie, aber sie ging in Richtung Bohrplatz und Roland mit ihrer Hand am Hals.
    Annie ließ ich auf dem Boden liegen.
    Im Krankenhaus saß ich mit Phillip in einem kleinen Wartezimmer. Ich konnte den Ärzten wenig Informationen geben. Ich wußte einfach nicht, was Cipriano zugestoßen war. Später erfuhr ich, daß er einen anaphylaktischen Schock hatte, ein Phänomen, daß man oft bei allergischen Reaktionen auf Medikamente oder Insektenstiche hat, aber bei Cipriano war es unbestimmt. Der Körper widersetzt sich dem Geist aus nicht genau erklärbaren Gründen. Mir wurde gesagt, daß eine allergische Reaktion vorausgegangen sein muß, zum Beispiel auf den Süßstoff, den er für seinen Kaffee benutzt hat oder durch plötzliche Bewegungen, plötzliche Kälte, Erdnüsse oder durch Samenflüssigkeit. Stell’ dir mal die Überraschung vor, sagte jemand später; ein Typ hat eine Verabredung und plötzlich bebt die Erde unter ihm.
    Eine Zeitlang standen wir drei verwirrt und ängstlich im Wartezimmer herum, und dann ging sich Constance ihre Zähne putzen. Mir war es bis zu dem Zeitpunkt entgangen, daß sie eine Handtasche bei sich hatte,
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