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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen
Autoren: Noreen Ayres
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und die harten äußeren Blätter am Boden haben Wurmlöcher so groß wie von 45er Kalibern.
    Heute ist es Kohl. Das ganze Jahr über ist es Kohl. Wenn Sie wissen wollen, wie es in der Autopsie riecht, dann würde ich sagen Brokkolicremesuppe oder Kohlsuppe. Die gleichen Winde, die einen Habicht mit rostfarbenem Schwanz und hoch aufgestellten Flügeln anlocken, nach Nagetieren im Kohlfeld zu suchen, bringen immer wieder neue starke Geruchswellen.
    Sie scheinen noch spät draußen zu sein, die Kohlpflücker, denn es war fast Abend. Sie arbeiten auf den Feldern südwestlich der Eukalypthushecke beim Irvine Center Drive und gegenüber des Irvine Centers hängen die schweren dunklen Äste von Orangenbäumen der wenigen noch verbleibenden Haine bis zum Boden herab. Darunter liegen die heruntergefallenen Orangen wie polierte Steine an Schmuckstücken.
    Imjanuar regnete es, außerordentlich genug, um in den Nachrichten erwähnt zu werden, und so auch letzte Woche. Die Schuhe der Pflücker werden voll schwarzer Erde sein. Wenn sie dann plattfüßig zu ihren Wagen auf dem schmutzigen Parkplatz gehen, werden sie die Schuhe ausziehen und mit den Socken nach Hause fahren, damit ihre Automatten nicht dreckig werden. Die Pflücker sind liebenswerte Menschen, die aus eigener Motivation Nahrungsmittel ausgraben, ausscharren, ausheben, das sonst den Würmern überlassen blieb, wenn die bezahlten Pflücker mit ihrer Arbeit fertig sind. Ihre Ernte geht an Nahrungsmittelvergabestellen, wie Suppenküchen und ähnliches und an Heimatlose, die einige Leute vertreiben wollen.
    Ich weiß das, weil ich selbst schon gepflückt habe. Ein acht Zentimeter langes Messer und zwei Stunden Zeit am Samstag sind alles, was ich brauche. An Samstagen sind manchmal hundert Leute da. Jetzt, wenn ich wieder damit anfange, wird es Mittwoch sein, und es werden vielleicht acht Leute sein, meist Rentner oder Lehrer. Zur Zeit bin ich vom Labor freigestellt. Dieses Mal nicht aus medizinischen Gründen. Die Felder sind nur etwa acht Kilometer von meiner Haustür entfernt, deshalb ist es kein allzu großes Opfer. Ich zähle mich eigentlich nicht zu den guten Menschen, die ich aufgezählt habe. Was ich sagen will ist, daß es besser ist als ein übelriechendes Fitness-Studio, und ich dennoch ins Schwitzen komme.
    Im Oktober war ich das letzte Mal hier bei der Ernte von Paprikaschoten. Die Paprikaschoten sind ein toller Anblick. Motorradfahrer halten bei Sand Canyon, Jeffrey, Harvard und Culver an, um für einen Moment dort zu sitzen und sich von den Farben in dieser sonst so farblosen Landschaft berauschen zu lassen: orange, gelb, hellgrün, dunkelgrün, rot. Paprika ist wirklich schön.
    Manchmal, auch wenn ich nicht pflücke, dann fahre ich diese Nebenstraße für einen Teil der 30 Kilometer bis zur Wache von Ray Vega an der Straße von San Juan. Bei Alton fahre ich auf den Freeway, um den einen Arm der Wünschelrute an der Kreuzung der 5 und der 405 zu fahren, die sich das berüchtigte El Toro-Y nennt. Dort schießen Autos wie Sperma hin und her, bis sie eine der sechs Spuren gefunden haben, auf der es schneller weitergeht. Ich benutze Nebenstrecken, es sei denn, es ist ein Tag, an dem hohe weiße Wolken an unserem sonst so langweiligen Himmel sind. An solchen Tagen, oder wenn es keine leuchtenden Paprikaschoten zu sehen gibt, fahre ich zwei oder fünf Kilometer Umweg bis zu einem anderen Freeway, um dann die 405 in Richtung Süden zu nehmen und auf ein Passagierflugzeug zu hoffen, das auf dem John Wayne Flughafen landet. Das Biest fliegt ganz langsam über die Köpfe der Autofahrer. Ich konnte schon eine Tag-Mond Phase auf dem Schwanz eines Flugzeuges erkennen oder sogar eine orangefarbene Sonne vor einem lavendelfarbenen Hintergrund auf dem Rücken einer Cessna. Dann sind mir die anderen Autos egal und der langsame Verkehr sogar willkommen, der dafür gemacht scheint, damit jeder diese Gravitätsshow beobachten kann. Besonders im Frühjahr, bevor der Smog und die Hitze einsetzen, ist das Himmelsspektakel angenehm. Marineluftübungen bringen die Autofahrer dazu, anzuhalten, auszusteigen und zu gaffen. Leute, die gerade tanken, stehen auch da und gaffen. Manchmal habe ich sogar über den weißen Türmen der Bürogebäude, die kürzlich auf Limabohnenfeldern errichtet wurden, militärische Wachflugzeuge mit Radarschirmen auf ihren Rücken gesehen, die gerade landeten. Und ich habe die plumpen Lastflugzeuge gesehen, die langsam über den mexikanischen Arbeitern in
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