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Blutlust

Blutlust

Titel: Blutlust
Autoren: Riccarda Blake
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nicht eher ruhen, bis du ihnen gehörst. Komm, ich bring dich von hier fort.«
    »Lass mich!« Ich riss mich von ihr los und machte einen Schritt zurück. »Ich sage es noch einmal: Geh mir aus dem Weg. Hörst du?«
    Doch sie antwortete nicht. Mit einem Mal war es, als hätte sie mich völlig vergessen. Ihr Blick hatte den Fokus auf mich verloren, und es schien, als würde sie über das Wummern der aus dem Keller dringenden Bässe hinweg in die Dunkelheit lauschen, ihre Stirn dabei angestrengt in Falten gelegt. Langsam bewegte ihr Kopf sich dabei leicht hin und her. Mit fast hektischen Bewegungen suchten ihre Augen die Dunkelheit hinter uns ab.
    Sie wirkte wie ein alarmiertes Kaninchen, das die Witterung eines Raubtieres aufgenommen hatte, noch nicht aber die genaue Richtung, aus der es kam. Ich konnte sogar hören, wie sie die Luft schnupperte, und fühlte mich jetzt noch unwohler in ihrer aufgezwungenen Gegenwart. Aber gerade als ich an ihr vorbei- und in den Club gehen wollte, fokussierte ihr alarmierter Blick sich wieder – auf etwas direkt hinter mir, und unwillkürlich drehte ich mich herum.
    Zuerst sah ich nichts im Dunkel zwischen den Fabrikruinen. Aber ich hatte mit einem Mal wieder das Gefühl, dass da irgendwas oder irgendwer war, und strengte meine Augen an. Da schien es plötzlich, als würde sich im Herzen der Dunkelheit etwas zu noch tieferer Finsternis verdichten, das Schwarz an einer Stelle noch dunkler werden. Es war wie ein Schatten inmitten von Schatten, der dicht und dichter wurde, sich langsam auf mich zubewegte und dabei mehr und mehr Form annahm.
    Er war größer als der Schatten vorhin.
    Ein plötzliches Fauchen hinter mir ließ meinen Herzschlag holpern vor Schreck, und ich wirbelte wieder zu der irren Prophetin herum. Doch sie war verschwunden. Spurlos. Einfach weg, so, als hätte sie nie hier gestanden.
    »Hat sie dich belästigt?«, fragte eine tiefe, leicht raue Stimme aus der Richtung, in der ich den Schatten gesehen hatte, und wieder fuhr ich erschrocken herum.
    Keine zwei Meter vor mir stand – Max. Und, zur Hölle, er war so schön und so düster wie die Nacht! Dunkles, volles Haar, dunkler Teint, dunkle Augen – und unglaublich elegant.
    Er war völlig anders gekleidet als bei unserem Treffen heute Morgen auf dem Campus. Über einem schwarzen Hemd trug er einen anthrazitgrauen Anzug, der seine schlanke, breitschultrige Figur betonte, als wäre er ihm auf den Leib geschneidert, was er wohl auch war. Außer bei Hochzeiten und Beerdigungen hatte ich noch nie einen jungen Mann seines Alters im Anzug gesehen, aber er wirkte so natürlich darin, als würde er ständig Anzüge tragen, und er stand ihm ungemein gut. Unverschämt gut.
    Wie war er hierhergekommen? Und woher war er gekommen? Ich merkte, dass ich ihn verwirrt und fasziniert zugleich anstarrte. Und auch er merkte es – und lächelte. So angespannt ich bis eben noch war, dieses Lächeln beruhigte mich. Zumindest einen Teil von mir. Einen anderen Teil, die Frau in mir, machte es ganz schön nervös.
    Es war keines dieser Ich-zeige-der-Welt-meine-Zähne-Lächeln, sondern vielmehr ein ganz leichtes, fast spitzbübisches Grinsen, ein amüsiertes, ohne einen einzigen Hauch von Spott oder Überheblichkeit. Es war sympathisch und einladend. Seine unglaublich vollen Lippen waren dabei geschlossen und nur die Mundwinkel ganz leicht nach oben geschwungen.
    Er hatte Grübchen. Das war mir heute Morgen gar nicht aufgefallen. Ich mochte sie auf Anhieb. Aber weder das Lächeln noch die Grübchen nahmen ihm die düstere, kraftvoll lebendige, ja trotz seiner Eleganz fast animalische Ausstrahlung, die mir ebenfalls vorher nicht aufgefallen war und die ihn nur noch attraktiver machte.
    Seine Haltung war eine Mischung aus der eines guttrainierten Kampfsportlers und eines parkettsicheren Tänzers, leichtfüßig und doch voller Energie, die nur darauf zu warten schien, entfesselt zu werden. Und das war schon der Eindruck, den er machte, obwohl er bisher nur lächelnd vor mir stand, die eine Hand lässig in der Hosentasche.
    »Äh … hallo … Max«, stotterte ich und hätte mich dafür am liebsten selbst getreten. Wenn ich eines vermeiden wollte, dann zu erscheinen wie das Mädchen vom Land, das ich war. Aber wen hätte dieser imposante Kerl nicht eingeschüchtert?
    Er war fast anderthalb Kopf größer als ich und hatte ein Charisma, als hätte er die ganze Welt bereist und als hätten diese Augen Dinge gesehen, von denen ich nicht einmal zu
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