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Blutlust

Blutlust

Titel: Blutlust
Autoren: Riccarda Blake
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meine Angst im Zaum zu halten. Aber schließlich war ich Wissenschaftlerin. Oder wollte eine werden. Statistisch betrachtet passierten sehr viel mehr Überfälle in vollen Straßen, in denen es von Menschen nur so wimmelte, als an einsamen und verlassenen Orten wie diesem. Dass Menschen sich tagsüber in einer belebten Fußgängerzone voller anderer fremder Menschen sicherer fühlten als nachts alleine auf einem Friedhof war ein Paradoxon. Es widersprach jeder Logik. Aber gerade jetzt konnte ich es nur zu gut nachvollziehen.
    Plötzlich fühlte ich mich beobachtet.
    Wieder konnte ich nicht ausmachen, warum. Kein Geräusch, keine Bewegung. Nichts – nur das Gefühl. Ich unterdrückte den Drang, mich umzuschauen, und beschleunigte meine Schritte. Jetzt war mein Herzschlag tatsächlich lauter als die Bässe, die mir noch viel zu weit entfernt erschienen, und ich ärgerte mich darüber, dass ich den Rat meiner Mutter, mir Pfefferspray zu kaufen und immer bei mir zu tragen, als Paranoia abgetan und sie ausgelacht hatte. Gleich morgen würde ich mir welches besorgen.
    Ich schürzte mein langes Kleid und begann zu laufen. Vielleicht war es ja wieder der Hund. Und vielleicht hatte er Tollwut.
    Ich lauschte immer wieder in die Dunkelheit hinein, ob ich außer den Bässen, meinem Herzen, meinem schneller gewordenen Atem und dem Geräusch der Chucks auf dem Kopfsteinpflaster noch andere Schritte oder das Tapsen von Hundepfoten hörte.
    Allmählich kam ich der Musik immer näher. Irgendetwas oder irgendjemand war hinter mir. Ich konnte es ganz deutlich fühlen – oder zumindest bildete ich es mir sehr, sehr deutlich ein. Und es bewegte sich genauso schnell wie ich. Trotz meines Vorsatzes warf ich, ohne meinen Lauf zu verlangsamen, einen Blick nach hinten. Doch da war nichts. Zumindest war nichts zu sehen. Vermutlich spielte mir nur meine Phantasie einen Streich. Dennoch rannte ich schneller.
    Als ich die enge Gasse hinter mir gelassen hatte, fühlte ich mich ein wenig besser, wurde aber sicherheitshalber nicht langsamer. Dann endlich sah ich den Club.
    Etwa hundert Meter vor mir trug eine der Hallen die gleißende Neon-Leuchtschrift ›KITTY‹. Von der anderen Seite des Geländes her gingen zahlreiche Studenten lachend und plaudernd über einen gut beleuchteten Platz darauf zu.
    Verdammt, ich war von der falschen Seite gekommen!
    Die Angst fiel von mir ab, und ich kam mir plötzlich ziemlich albern vor. Wer sollte mich hier auch verfolgen?
    Ich verlangsamte meine Schritte und versuchte, langsamer zu atmen, um meinen Herzschlag zu beruhigen. Als mir das einigermaßen gelungen war, holte ich meine Schuhe aus der Tasche und schlüpfte aus meinen Chucks. Ich bückte mich, schloss die Schnallen der Sandalen und steckte die Turnschuhe in die Tasche.
    Als ich mich aufrichtete, stand jemand vor mir.
    Ich erschrak so sehr, dass ich einen Sprung zurück machte und wegen der hohen Absätze meiner Schuhe fast gestolpert wäre. Und gleich darauf kam ich mir ein zweites Mal so richtig albern vor. Es war nur dieselbe irre Blondine, die heute Morgen vor dem Eingang des Campus so entsetzlich geschrien und das gruselige Zeug prophezeit hatte. Sie trug das gleiche zerschlissene Kleid wie zuvor.
    »Hallo«, brachte ich unbehaglich hervor.
    »Auf dich wartet ewige Finsternis«, sagte sie fast tonlos leise, ohne auf meinen Gruß einzugehen.
    Ich zog fragend die Augenbrauen nach oben.
    Sie deutete auf den Club. »Geh nicht dort hinunter. Sie werden ihre Fänge in dich schlagen und dich zu einer der ihren machen.«
    »Hör auf mit dem Quatsch«, bat ich sie. »Und geh mir aus dem Weg.«
    »Dieser Weg wird dich in die Verdammnis führen.«
    »Ich will dir nicht zu nahe treten«, erwiderte ich unwirsch, »aber ich habe nicht viel übrig für religiöse Fanatiker.«
    »Religion?« Sie legte den Kopf leicht zur Seite und schaute mich forschend an. »Du hast nicht die leiseste Ahnung, wovon ich rede, oder? Du musst doch eben gespürt haben, dass sie deine Witterung schon aufgenommen haben.« Jetzt deutete sie auf die hinter mir liegende Gasse.
    »Warst du das, die mich beobachtet und verfolgt hat?«, fragte ich sauer.
    »Ich bin hier nicht die Gefahr, Sinna«, flüsterte sie so leise, als würden wir belauscht.
    Ich erschrak. »Woher kennst du meinen Namen?«
    »Ich will dich retten.«
    »Ich muss nicht gerettet werden«, stieß ich zornig hervor und wollte an ihr vorbeimarschieren.
    Sie hielt mich am Arm fest und trat mir erneut in den Weg. »Sie werden
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