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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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machte eine
Handbewegung auf Abu Dun. »Ich weiß, was du bist. Ich weiß,
was ihr beide seid. Mein Vater hat es mir gesagt.«
Andrej richtete sich alarmiert auf, doch es war zu spät. Das
Boot war schon halb hinter dem Riff hervorgeglitten, hinter dem
sie seit einer guten halben Stunde auf der Lauer lagen. Und Abu
Dun war bereits im Wasser und hielt sich nur noch mit einer
Hand an der Bordwand fest. Noch ein Augenblick und sie
kamen in Sichtweite der Schwarzen Gischt. Wenn er sich dann
noch an Deck befand, war ihr Plan zunichte gemacht.
Hastig glitt auch er über Bord. Er musste die Zähne
zusammenbeißen, denn das Wasser war noch viel kälter, als er
angenommen hatte. Dennoch ließ er sich rasch tiefer sinken,
während das Boot vollends hinter seiner Deckung hervorglitt
und die Schwarze Gischt in Sicht kam. Andrej nahm einiges von
dem zurück, was er über Arnulf und die anderen Bewohner des
Fischerdorfes gedacht hatte. Die Schwarze Gischt war das
unheimlichste Schiff, das er jemals gesehen hatte. Sie war kein
Kriegsschiff, jedenfalls war sie nicht als solches gebaut worden,
und sie war nicht einmal besonders groß. Es war eine
mindestens hundert Jahre alte Kogge, hundert Fuß lang und mit
dem typischen klobigen Bug und dem Achterkastell, das diese
Schiffe auszeichnete. Jemand hatte drei Kanonen auf jeder Seite
des Decks aufgestellt und eine weitere, besonders große im Bug
des schwerfällig wirkenden Seglers. Alles an ihm war schwarz –
vom Rumpf bis hin zu dem großen, rechteckigen Segel.
Andrej konnte von seiner Position aus nur die Hälfte des
Dutzends Männer sehen, von denen Abu Dun gesprochen hatte,
doch auch sie wirkten unheimlich und bedrohlich;
hochgewachsene, finstere Gestalten mit langem Haar und
struppigen schwarzen Bärten, die Mäntel aus schwarzem Fell
trugen. Zumindest auf die große Entfernung hätten sie
Zwillingsbrüder Arnulfs und Lasses sein können.
Andrej ließ sich tiefer ins Wasser gleiten. Obwohl er das
Schiff keinen Moment aus den Augen ließ, sah er, wie sich
Verinnia im Heck des kleinen Bootes aufrichtete und eine
ebenso trotzige wie herausfordernde Haltung einnahm, während
sie langsam vollends hinter dem Riff hervorglitten und Kurs auf
die Schwarze Gischt nahmen.
Ein weiterer Knall schallte vom Deck des unheimlichen
Seglers zu ihnen herüber. Entweder, dachte Andrej, die Piraten
hatten sie noch nicht entdeckt oder sie fanden ein gemeines
Vergnügen daran, weiter auf das wehrlose Fischerdorf zu
schießen. Irgendetwas an diesem Gedanken stimmte nicht.
Andrej konnte das Gefühl nicht in Worte kleiden, aber da war
etwas, was er vergessen oder falsch gedeutet hatte. Irgendetwas
war nicht so, wie es sein sollte.
Lasse, der mittlerweile zum Bug des Fischerbootes geeilt war,
riss jetzt beide Arme in die Höhe und begann, wild zu
gestikulieren.
»Hört auf zu schießen«, rief er. »Wir geben auf. Ihr könnt das
Mädchen haben.«
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, aber sie fiel nicht
so aus, wie Lasse erwartet haben mochte. Und auch Andrej fand
seine schlimme Vorahnung bestätigt.
Es vergingen nur wenige Augenblicke, bis die Piraten ihre
Geschütze neu geladen hatten. Ein dunkles Krachen ertönte, und
plötzlich schoss keine zwei Meter hinter Andrej eine gewaltige,
schäumende Wassersäule aus dem Meer. Das Fischerboot
erzitterte und legte sich bedrohlich weit auf die Seite. Noch
bevor es wieder in die Waagerechte zurückkippen konnte,
donnerte ein zweites Geschütz. Die Kanonenkugel kappte den
Mast auf halber Höhe und überschüttete das Deck mit einem
Hagel gefährlicher, messerscharfer Holzsplitter. Fast
gleichzeitig feuerte auch die dritte Kanone. Die Kugel verfehlte
ihr Ziel, schlug aber so dicht neben dem Heck ins Wasser, dass
die hoch aufspritzende Gischt Verinnia und auch Arnulf von den
Füßen fegte.
Andrej tauchte hastig unter, glitt unter dem Rumpf des
Fischerbootes hindurch und tauchte neben Abu Dun auf der
anderen Seite wieder auf. Er tat dies weniger aus Furcht,
getroffen zu werden, obwohl diese Gefahr durchaus bestand und
er nicht sicher war, ob eine Kanonenkugel nicht auch zu den
wenigen Dingen gehörte, die ihn tatsächlich umbringen konnten,
sondern vor allem, um nicht von der Schwarzen Gischt aus
gesehen zu werden.
»Was zur Hölle geht da vor?«, keuchte Abu Dun neben ihm.
»Wieso schießen sie?«
Andrej wusste darauf ebenso wenig eine Antwort wie auf so
viele andere Fragen, die ihm durch den Kopf
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