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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schossen. Er
verspürte immer deutlicher das Gefühl einer diffusen
Bedrohung.
Plötzlich glaubte er, noch einmal Verinnias Stimme zu hören,
und ihr sonderbares, fast unheimliches Lächeln dabei zu sehen.
»Ich weiß, was ihr seid!« Wieso fielen ihm diese Worte
ausgerechnet jetzt wieder ein? Doch ihm blieb keine Zeit, den
Gedanken weiterzuverfolgen. Sie hatten sich der Schwarzen
Gischt mittlerweile auf dreißig oder vierzig Meter genähert, und
Andrej sah, wie die Besatzung eilig die Geschütze nachlud. Im
Bug des Fischerbootes hatte sich Lasse wieder aufgerappelt und
versuchte verzweifelt, die Mannschaft der Schwarzen Gischt mit
heftigem Winken auf sich aufmerksam zu machen.
»Hört auf!«, schrie er mit schriller, sich überschlagender
Stimme. »Wir geben auf! Nehmt das Mädchen an Bord!«
Diesmal feuerten alle drei Kanonen gleichzeitig. Für einen
Moment verschwand das riesige schwarze Schiff hinter einer
brodelnden Rauchwolke, aus der gierige, orangerote
Flammenzungen leckten. Zwei der tödlichen Geschosse
verfehlten das Fischerboot, doch das dritte traf es mittschiffs
und mit der Gewalt eines Axthiebes.
Andrej hatte noch einen flüchtigen Eindruck von Flammen
und fliegenden Splittern, dann presste ihn die Druckwelle unter
Wasser und schleuderte ihn davon wie ein Stück Treibholz, das
in einen Sturm geraten war.
Dicht neben Abu Dun brach er wieder durch die schäumende
Meeresoberfläche und sah sich gehetzt um, während er seine
Lungen mit einem keuchenden Atemzug füllte. Wie durch ein
Wunder war das Fischerboot nicht gesunken. Es wirkte
deformiert wie ein Stock, der in der Mitte geborsten, aber noch
nicht ganz auseinandergebrochen war. Flammen und schwarzer
Rauch leckten gierig an seinem zerborstenen Rumpf, und es
hatte deutliche Schlagseite.
Auch wenn Andrej nicht viel von Schiffen verstand, so war
ihm doch klar, dass es sinken würde. Doch als wäre ein zweites,
sehr viel größeres Wunder geschehen, sah er, dass auch
Verinnia, Lasse und Arnulf noch am Leben waren. Lasse
arbeitete sich gerade im Bug des wild hin- und herschaukelnden
Bootes hoch und presste die Hand gegen das Gesicht, das
mittlerweile blutüberströmt war. Und auch das Mädchen und der
Bärtige kamen in diesem Moment taumelnd wieder auf die
Füße. Verinnias Kleider hingen in Fetzen, auch ihr Gesicht war
blutüberströmt.
Eine kalte, mörderische Wut ergriff von Andrej Besitz. Er
wusste immer noch nicht mit Sicherheit, was wirklich zwischen
diesen Menschen und den Piraten an Bord der Schwarzen Gischt vorgefallen war, aber das spielte mit einem Male keine Rolle
mehr. Ganz gleich, ob Verinnia ihn belogen hatte oder nicht, sie
war ein Kind – und diese Ungeheuer schossen mit Kanonen auf
sie.
Sie tauchten. Dass Andrej das Meer nicht mochte, bedeutete
nicht, dass er sich in diesem Element nicht bewegen konnte.
Sein fantastischer Körper und seine außergewöhnliche Stärke
kamen ihm auch in diesem Fall zugute.
Abu Dun und er waren nicht nur zehnmal stärker als normale
Menschen, sie vermochten auch ungleich viel länger ohne Luft
auszukommen. Ohne auch nur ein einziges Mal zum Atemholen
auftauchen zu müssen, überwanden sie die Distanz zur Schwarzen Gischt und tauchten unter dem Schiff hinweg.
Unter Wasser unterschied sich das Piratenschiff deutlich von
der vermeintlichen Kogge, für die Andrej es gehalten hatte. Es
hatte einen gewaltigen Tiefgang, und als sie unter dem Schiff
hinweg und auf der anderen Seite wieder auftauchten, sah er,
dass man ihm anscheinend nachträglich einen langen,
schwertförmigen Kiel verpasst hatte, der das Schiff
hochseetüchtig machte und wohl auch der Grund dafür war, dass
es sich dem Strand nicht weiter nähern konnte.
Doch auch an diesem Gedanken störte ihn etwas. Schon
wieder überkam ihn das ungute Gefühl, etwas Wichtiges
übersehen zu haben. Diese Art der vernünftigen Planung wollte
nicht so recht zu einer Piratenmannschaft passen, die sich mit
dem Teufel eingelassen hatte und auf der Jagd nach
Menschenblut war.
Andrej orientierte sich kurz und tauchte dann eine Armeslänge
neben Abu Dun auf der anderen Seite des Schiffes wieder auf.
Lärm und Stimmengewirr waren schwächer geworden, aber
das Prasseln der Flammen war selbst hier noch zu hören.
Zumindest hatten die Geschütze aufgehört zu feuern. Das Holz
der Bordwand, die gute drei Meter wie eine Mauer aus erstarrter
Lava über ihnen aus dem Wasser ragte, war rau genug, um ihren
Fingern und Zehen Halt
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