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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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um
hierherzukommen.«
Etwas in Andrej krümmte sich. Er hatte keinen Beweis dafür,
nicht einmal einen Hinweis, und doch war er plötzlich
überzeugt, dass auch dies ihre Schuld war, dass ihre Rolle in
dieser furchtbaren Geschichte eine viel größere, viel düsterere
war, als dem Nubier und ihm klar war. All diese Toten lasteten
auf ihrem Gewissen. Er wusste nicht, wieso, aber er wusste, dass
es so war.
»Ich werde sie töten«, sagte Abu Dun plötzlich, leise, immer
noch bitter und mit bebender Stimme, nun aber voll tödlicher
Entschlossenheit. »Und wenn es tausend Jahre dauert.«
Die Worte hingen eine Weile unheilschwanger in der Luft.
Andrej schwieg noch länger, doch dann riss er seinen Blick
endlich von dem brennenden Schiff los, legte den Kopf in den
Nacken und suchte den Himmel ab.
Lange stand er so da, dann drehte er sich wieder zu Abu Dun
herum und wartete so lange, bis der Nubier seinen Blick spürte
und ihn ansah.
»Wenn ich mich richtig erinnere«, sagte er, »dann ist die Fenrir gestern sehr nahe an diesen Felsen dort vorbeigefahren.«
Er deutete auf den Ausgang des Fjords, wo sich zwei steinerne
Türme aus geborstenem Fels gegen die Strömung stemmten.
»Vielleicht gibt es dort eine Strömung«, vermutete der Nubier.
»Ja, wahrscheinlich sogar«, sagte Andrej. Er wies mit der
Hand zum Nachthimmel hinauf. »Was glaubst du, wie lange es
noch dauert, bis der Mond untergeht?«
    Sie hatten gute drei Stunden gebraucht, um den Ausgang des
langgestreckten Fjords zu erreichen, und die Sonne war
aufgegangen, lange bevor sie diese Strecke zurückgelegt und
den gewaltigen Felsen erklommen hatten, der sich gute zwölf
Meter hoch über dem Meer erhob.
    Zusammen mit seinem Bruder gab er den Bewohnern des
Flusslaufes ein Versprechen auf Schutz, das er nicht erfüllt
hatte. Der Mond war eine Stunde nach Sonnenaufgang
untergegangen, aber dennoch war es nicht richtig hell geworden.
Der Tag war bedeckt und kalt, ein eisiger Wind blies ihnen vom
Meer her Kälte und Salzwasser ins Gesicht, und die Brandung
war mächtig. Vielleicht würde ein Sturm aufziehen.
    Abu Dun und er warteten. Eine Weile hatte er sich gefragt, ob
Ansen und seine Männer nicht vielleicht zurückkommen und
nach ihnen suchen würden, wenn sie den toten Fritjof fanden,
hatte diesen Gedanken dann aber einfach abgetan. Wenn es so
war, dann hatten sie ohnehin keine Chance.
    Doch der Rückweg zur Fenrir würde selbst für die schnelleren
und kräftigeren Wolfskreaturen nahezu den Rest der Nacht in
Anspruch nehmen, und er bezweifelte, dass Ansen es wagen
würde – oder dass es ihm der Mühe wert wäre –, Abu Dun und
ihm in seiner menschlichen Gestalt gegenüberzutreten.
    Und es war auch nicht geschehen. Eine weitere Stunde war
verstrichen, dann noch eine, und Abu Dun und er standen nach
wie vor hoch oben auf dem Felsen, blickten nach Norden und
warteten darauf, dass das rot-weiß gestreifte Segel der Fenrir über den Wellen erschien.
    Als es geschah, spürte er … nichts. Keine Furcht, keine
Aufregung, doch auch sein Zorn und Hass schienen wie
weggeblasen. Rasch sah er in Abu Duns Gesicht hinauf und las
dort dasselbe. Es war, als wäre ihr Hass so stark, dass er in eine
eisige Ruhe umgeschlagen war. Alles, was er empfand, war
Entschlossenheit.
    Langsam kam die Fenrir näher. Ansen steuerte sein Schiff
offenbar auf demselben Kurs zurück, auf dem sie gekommen
waren, doch Andrej fiel auf, dass das Drachenboot jetzt einen
deutlich größeren Abstand zu den Felswänden und den
schaumgekrönten Wellen hielt, die in immer schnellerer Folge
dagegen schlugen. Sie mussten ihren toten Kameraden gefunden
haben. Vielleicht hatten sie ja begriffen, was wirklich geschehen
war. Vielleicht würden sie einfach beidrehen und einen anderen
Kurs nehmen, wenn sie Abu Dun und ihn entdeckten. Doch
irgendetwas sagte ihm, dass sie es nicht tun würden.
    Und so war es. Andrej erkannte plötzlich aufgeregte
Bewegung an Deck der Fenrir, und das Boot schwenkte näher
an die Küste heran und wurde deutlich langsamer, als es sich
weiter näherte. Kaum war es direkt unter ihnen angekommen,
ließ Ansen seine Männer die Ruder einholen, kam nach vorne
und sah zu ihnen herauf. Trotz der großen Entfernung konnte
Andrej das bösartige Lächeln auf seinem Gesicht sehen.
»Kleiner Mann!«, schrie er. »Was habt ihr getan?«
    Andrej antwortete nicht, und auch Abu Dun schwieg. Nur
seine Hand umfasste den Schwertgriff.
Ansen lachte. »Ich
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