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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fand zu begreifen, welchem Gegner er tatsächlich
gegenüberstand. Andrej warf sich zur Seite und zerschmetterte
noch in derselben Bewegung einem weiteren Piraten den
Kehlkopf. Neben ihm hatte auch Abu Dun seine Waffe gehoben
und griff in den Kampf ein. Und Andrej sah aus den
Augenwinkeln, wie auch Lasse und Arnulf wie die Berserker
unter den Dauga wüteten. Es ging viel zu schnell und es war viel
zu leicht.
Andrej wurde zwei oder drei Mal getroffen, nichts davon war
schlimm genug, ihn zu gefährden oder auch nur ernsthaft zu
behindern. Und auch Abu Dun brüllte noch einmal wütend auf,
als stumpfer Stahl in sein Fleisch biss, aber ihre Gegner hatten
trotzdem keine Chance. Sie kämpften tapfer und mit dem
verzweifelten Mut von Männern, die den sicheren Tod vor
Augen hatten, aber sie kämpften wie Menschen. Und nichts
anderes waren sie.
Der Kampf war kurz und brutal und es verging nicht einmal
eine Minute, bis der letzte Angreifer tödlich verwundet auf das
Deck sank.
Andrej erwachte wie aus einem Rausch, sein Herz jagte und in
seinem Inneren erwachte die Bestie. Der Gestank des Todes
schwebte über dem Schiff, überall lagen tote und sterbende
Männer, das Deck schwamm in Blut. Die Gier in Andrejs Seele
wurde immer übermächtiger. Er hatte das Ungeheuer in sich
entfesselt – und nun verlangte es seine Belohnung, es wollte das
Blut seiner Opfer und auch Andrej wollte es. Er brauchte es –
jetzt!
»Nein, Andrej«, sagte Abu Dun ruhig neben ihm. »Tu es
nicht!«
Andrejs Hände begannen zu zittern. Er ließ das Schwert fallen,
taumelte auf die Knie hinab und beugte sich über einen der
reglos daliegenden Männer, um ihn zu packen und sein Blut zu
trinken, das Ungeheuer in seinem Inneren zu füttern.
»Nein, Andrej«, sagte Abu Dun noch einmal. »Tu es nicht!
Verstehst du denn nicht, was hier vorgeht?«
Mit aller Willenskraft, die er noch aufbieten konnte, kämpfte
Andrej das Ungeheuer nieder und hob stöhnend den Kopf. Abu
Duns Gestalt ragte riesig und verzerrt über ihm empor und
verschwamm vor seinen Augen.
»Was?«, murmelte er hilflos.
»Nicht, Andrej«, sagte Abu Dun zum dritten Mal. »Sie haben
uns belogen, begreif doch!« Seine Hand legte sich auf Andrejs
Schulter und zog ihn mit sanfter Gewalt von seinem BeinaheOpfer fort. »Einer der Männer ist noch am Leben. Komm!«
Andrej verstand nicht. Er fühlte sich noch immer benommen
wie in einem üblen Traum, aus dem er einfach nicht erwachen
konnte. Abu Dun zerrte ihn mehr hinter sich her, als dass er aus
eigener Kraft ging. Alles drehte sich um ihn, noch immer gierte
er nach Blut.
Wie Abu Dun gesagt hatte, war einer der Piraten noch am
Leben. Es war der Mann, den Verinnia niedergestochen hatte.
Andrej hätte die scharfen Instinkte eines Vampyrs nicht
gebraucht, um zu spüren, dass der Mann im Sterben lag. Aber
noch lebte er, und in seinen Augen loderte eine grauenhafte
Furcht auf, als sich Andrej über ihn beugte. Er versuchte,
abwehrend die Hände zu heben, doch seine Kraft reichte nicht
mehr.
»Hab keine Angst«, sagte Andrej leise. »Ich will dir nichts
tun.«
Selbst in seinen eigenen Ohren klangen die Worte wie böser
Spott. Der Mann würde sterben.
»Bring es … zu Ende«, stöhnte der Sterbende. »Töte mich, du
Ungeheuer. Aber meine Seele … bekommst du nicht.«
Andrej schüttelte verstört den Kopf. Er verstand nicht, wovon
der Mann sprach, er wollte es nicht verstehen. Die Wahrheit war
zu schrecklich, um sie zu ertragen.
»Was meinst du?«, murmelte er.
»Aber du weißt doch genau, wovon er spricht«, sagte eine
Stimme hinter ihm – Verinnias Stimme. Sie lachte leise.
»Trink sein Blut, Andrej. Nimm seine Lebenskraft, das ist es
doch, wovon ihr Vampyre lebt, oder?«
Langsam drehte sich Andrej zu dem Mädchen um, und die
Fäulnis war wieder da, der Odem des Verfalls und der
Verwesung, der ihm wie ein übler Geruch entgegenwehte.
Etwas Altes, Feindseliges.
Und endlich begriff er. Es war nicht der sterbende Mann,
dessen faulen Odem er roch. Es war das Mädchen! Es war ihr
Blut, dessen Geruch er wahrnahm, so wie es gestern das Blut
ihres Vaters gewesen war, das ihn so erschreckt hatte.
»Du?«, murmelte er wie betäubt. »Ihr seid …«
»Sie sind Ausgeburten der Hölle«, stöhnte der Sterbende. »Sie
haben sich … mit dem Teufel eingelassen, ihre Seelen dem
Satan verkauft.«
Er versuchte, sich aufzubäumen, aber seine Kraft reichte nicht
mehr. Seine Stimme wurde leiser. Als er weitersprach,
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