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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Boote«, antwortete der bärtige Riese abfällig. »Das
größte misst keine zwanzig Fuß, und die Schwarze Gischt hat
Kanonen. Sie würde jedes Schiff versenken, bevor es ihr auch
nur nahe kommt.«
Andrej wollte antworten, doch in diesem Moment wurde die
Tür aufgestoßen und Verinnia trat ein. Lasses Frau folgte ihr,
versuchte aber vergeblich, das Mädchen zurückzuhalten. Andrej
musste nur einen einzigen Blick auf das Gesicht des Kindes
werfen, um zu wissen, dass es jedes Wort gehört hatte.
»Dann sorgen wir eben dafür, dass sie zu uns kommen«, sagte
Verinnia. »Die Dauga wollen mich, oder? Dann sollen sie mich
doch haben.«
Abu Dun ließ sich vorsichtig an der nass glänzenden Flanke des
Felsens heruntergleiten und überwand das letzte Stück mit
einem Sprung, unter dem das gesamte Boot erzitterte. Andrej
suchte hastig Halt und auch Lasse und Arnulf warfen dem
Nubier einen ärgerlichen Blick zu.
»Ein gutes Dutzend Männer, es könnten auch weniger sein«,
fuhr Abu Dun ungerührt fort, während er mit der linken Hand
seinen Turban richtete, der den Abstieg nicht so unbeschadet
überstanden hatte wie sein Besitzer. »Schwer zu sagen. Das
Schiff liegt nicht gerade ruhig. Wenn ich an Bord wäre, wäre ich
vor Seekrankheit wahrscheinlich schon gestorben.«
Andrej warf dem riesigen Nubier einen schrägen Blick zu, zog
es aber vor, seinen Kommentar für sich zu behalten. Er
bezweifelte, dass Abu Dun überhaupt wusste, was das Wort
Seekrankheit bedeutete. Als sie sich kennengelernt hatten, hatte
Abu Dun seinen Lebensunterhalt als Pirat verdient. Was Andrej
anging, er hasste die Seefahrt. Auch wenn er mehr als einmal
gezwungen gewesen war, zur See zu fahren, waren ihm Schiffe
doch immer zutiefst zuwider gewesen. Er war nicht einmal ein
besonders guter Schwimmer. Und wozu auch? Immerhin war es
für ihn unmöglich zu ertrinken.
Die Einzige, der weder das ununterbrochene Schaukeln des
Schiffes, noch der schneidende Wind etwas auszumachen
schien, war Verinnia. Das Mädchen stand hochaufgerichtet und
so ruhig im Heck des kleinen Schiffchens, als befänden sich
unter seinen Füßen die massiven Grundmauern einer tausend
Jahre alten Festung. Mehr noch – der Ausdruck auf ihrem
Gesicht bewies Andrej, dass sie die Situation regelrecht genoss.
Für ein Mädchen, dachte er, das gerade seinen Vater verloren
hatte, ist sie auf eine geradezu unangemessene Art fröhlich.
Aber vielleicht war das auch einfach ihre Art, mit dem Schmerz
fertig zu werden. Kinder besaßen manchmal ein
beneidenswertes Talent, die Augen vor der Wirklichkeit zu
verschließen. Andrej sah kurz zu Lasse hin, und wieder fiel ihm
auf, wie groß die Ähnlichkeit zwischen ihm und Verinnias totem
Vater war. Kein Wunder, dachte er, dass er sich so um das
Mädchen sorgt, für ihn muss sie fast wie eine Tochter sein.
Ein dumpfer Knall riss nicht nur Andrej aus seinen Gedanken,
sondern ließ auch alle anderen erschrocken aufsehen. Nicht viel
später wehte ein zweiter dumpfer Schlag aus der
entgegengesetzten Richtung an ihr Ohr. Allerdings so leise, dass
vermutlich nur Abu Dun und er ihn überhaupt hörten. Andrej
tauschte einen raschen, besorgten Blick mit Lasse, bekam
allerdings nur ein angedeutetes Achselzucken zur Antwort. Die Schwarze Gischt hatte eine ihrer Kanonen abgefeuert. Und
Andrej konnte nur hoffen, dass die Menschen im Dorf auf Abu
Duns und seinen Rat gehört und ihre Häuser verlassen hatten,
um Unterschlupf in den Felsen der Steilküste zu suchen.
»Jetzt?«, fragte Abu Dun.
Andrej antwortete nicht gleich, sondern warf einen
zweifelnden Blick in Verinnias Richtung. Letzten Endes hatte er
sich der Logik gebeugt – und, nicht zu vergessen, Verinnias
kindlicher Sturheit. Aber ihm war nicht wohl dabei, ein Kind an
Bord zu wissen.
Schließlich nickte er. Abu Dun gab die Bewegung an Arnulf
weiter und der riesige Nordmann griff nach dem Ruder des
kleinen Bootes. Ein sachtes Zittern lief durch den Rumpf, und
Andrej stand auf und überprüfte ein letztes Mal den sicheren
Sitz seines Schwertes.
Während Abu Dun Mantel und Turban ablegte, trat Andrej an
die andere Seite des Bootes und steckte prüfend die Hand ins
Wasser. Er schauderte, als er spürte, wie kalt es war. Als er sich
aufrichtete, begegnete er Verinnias Blick, die den Riss in seinem
Hemd anstarrte, wo ihn ihr Messer getroffen hatte.
»Ich weiß, wer du bist«, sagte sie.
»Wie?«, machte Andrej.
»Ich weiß, wer du bist«, wiederholte Verinnia und
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