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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er wenigstens
einen Teil seiner Schuld bezahlt.«
Andrej zog unwillig die Brauen zusammen und er hörte, wie
auch Abu Dun hinter ihm scharf die Luft zwischen den Zähnen
einsog.
»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, sagte er vorsichtig.
»Das Mädchen hat uns erzählt, ihr wärt überfallen worden und
alle hier wären tot.«
»Ja – sehr viel hätte dazu auch nicht gefehlt«, antwortete der
Bärtige wütend. »Dank ihres verdammten Vaters.«
Er trat auf Verinnia zu und hob drohend die Faust, blieb aber
sofort wieder stehen, als Andrej ihm mit einem fast beiläufigen
Schritt den Weg versperrte.
»Was geht hier vor?«, fragte Andrej scharf.
Der Bärtige stülpte herausfordernd die Unterlippe vor und der
Blick, mit dem er Andrej nun maß, war eindeutig abschätzend.
Plötzlich wurden hinter ihm aufgeregte Stimmen laut. Die
Menschenmenge teilte sich, um einem dunkelhaarigen Hünen
Platz zu machen, der mindestens so groß wie der Bärtige war,
aber wilder wirkte.
Andrej riss erstaunt die Augen auf. Hätte der Mann nicht zwei
gesunde Arme gehabt, hätte er geschworen, Verinnias
genesenem Vater gegenüberzustehen.
»Hast du den Verstand verloren, Arnulf!«, brüllte er. »Dieses
Kind hat heute seinen Vater verloren und du wagst es, ihm
Vorwürfe zu machen.«
Er erwartete offensichtlich keine Antwort von dem Bärtigen,
sondern baute sich herausfordernd vor Andrej auf und maß ihn
mit Blicken, die kaum weniger zornig waren als die, die er
Arnulf zugeworfen hatte.
Verinnia warf sich mit einem Schrei auf ihn, vergrub das
Gesicht in seinem zotteligen Fellmantel und begann zu
schluchzen. Wie selbstverständlich legte der Riese ihr
beschützend den Arm um die Schultern und musterte nun Abu
Dun ebenso aufmerksam wie Andrej gerade.
»Ist es wahr, was Ihr sagt?«, fragte er. »Ihr Vater ist tot?«
»Ja«, antwortete Andrej. »Und wer bist du?«
»Mein Name ist Lasse«, antwortete der Riese. »Verinnias
Vater war mein Bruder. Und ihr kommt jetzt besser mit mir,
bevor noch ein Unglück geschieht.«
Andrej hatte nicht erwartet, dass man Abu Dun und ihn mit
offenen Armen empfangen würde, aber Lasses nachlässige Art,
seine Dankbarkeit zu zeigen, überraschte ihn doch. Er spürte
zugleich aber auch, dass die Warnung des schwarzhaarigen
Riesen ernst zu nehmen war. Die Spannung, die schon bei ihrer
Ankunft in der Luft gelegen hatte, nahm noch zu. Er nickte.
»Mein Haus liegt gleich dort drüben am Strand, es ist nicht
weit«, sagte Lasse.
Nichts in dieser winzigen, an drei Seiten von schroffen Felsen
eingerahmten Bucht war wirklich weit entfernt. Aber Andrej
atmete trotzdem innerlich auf, als sie die kleine Hütte
unmittelbar über der Flutlinie erreichten.
Niemand hatte versucht, sie aufzuhalten. Die Einwohner des
Dorfes waren wortlos beiseite gewichen, um ihnen Platz zu
machen, aber es hatte trotzdem etwas von einem Sprießrutenlauf
gehabt.
Im Inneren des Hauses brannte ein Feuer unter einem
schlichten Loch im Dach, das als Rauchabzug diente. Eine
dunkelhaarige Frau, die ebenso schön war wie Lasse groß, kam
ihnen entgegen. Als Verinnia sie sah, warf sie sich mit einem
erleichterten Seufzen in ihre Arme und begann, laut zu weinen.
Lasse deutete wortlos auf die Feuerstelle.
Während die dunkelhaarige Schönheit mit dem Mädchen im
Nebenzimmer verschwand, nahmen Abu Dun und Andrej am
Feuer Platz und streckten die Hände über die prasselnden
Flammen, um möglichst viel von ihrer Wärme aufzufangen.
Unauffällig behielt Andrej Lasse aufmerksam im Auge. Die
Ähnlichkeit zwischen ihm und Verinnias Vater war schon fast
unheimlich, die beiden mussten nicht nur Brüder, sondern
Zwillinge gewesen sein.
Schließlich trat Lasse mit einem tiefen Seufzer vom Fenster
zurück und setzte sich zu ihnen ans Feuer.
»Ich muss Euch noch einmal danken«, sagte er, hob aber auch
fast gleichzeitig die Hand, als Andrej antworten wollte. »Nicht
für das, was ihr für Verinnia getan habt, sondern für Eure
Besonnenheit. Arnulf ist ein Dummkopf, er war auf Streit aus.«
»Nun ja, das Kräfteverhältnis war ein wenig ungleich«, sagte
Andrej zögernd.
»Ich bin nicht blind, Andrej Delãny«, antwortete Lasse ernst.
»Ich erkenne einen Krieger, wenn ich ihn sehe.« Er machte eine
Bewegung auf Andrejs Schwert. »Ihr tragt diese Waffen nicht,
weil Ihr sie so schön findet. Ich hatte dort draußen keine Angst
um Euch.«
Andrej schwieg; was hätte er auch antworten sollen.
Schließlich war es Abu Dun, der
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