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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen
Autoren: T Weaver
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lächelte. »Ich bin nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist.«
    »Gut«, erwiderte sie mit einem traurigen Lächeln. »Ich wollte mich nur für das bedanken, was Sie getan haben. Ohne dass mein Mann mithört.« Sie hielt inne. » Ex mann«, verbesserte sie sich.
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Er hat Sie gebraucht. Er brauchte jemanden mit einer starken Persönlichkeit, der ihn in seiner aufbrausenden Art bremst. Keine Ahnung, was Sie am Tatort vorgefunden haben, und ich will es auch gar nicht hören. Aber ich war lange genug mit Colm verheiratet, um zu wissen, dass Sie viel Kraft gebraucht haben, um seine Arroganz, seine Wut und seinen Hass zu bändigen und ihn in Schach zu halten. Denn wie ich Ihnen aus persönlicher Erfahrung bestätigen kann, ist das keine leichte Aufgabe.«
    Da mir keine passende Antwort einfiel, nickte ich nur.
    »Und deshalb danke ich Ihnen«, fügte sie leise hinzu.

    Als sie sich zum Gehen anschickte, stellte ich den Motor ab. Sie drehte sich um, runzelte die Stirn und musterte mein Gesicht.
    »Hat er Ihnen je erklärt, warum er es getan hat?«
    Sie wusste, was ich meinte, denn sie strich unwillkürlich mit den Fingern über eine Stelle im Gesicht, wo sie offenbar einen Schlag abbekommen hatte. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Es lag nicht an der Affäre«, fuhr ich fort und bemerkte, dass ihre Wangen erröteten, »sondern daran, dass er sich von aller Welt im Stich gelassen gefühlt hat.«
    »Er hätte es trotzdem nicht tun dürfen.«
    »Ganz Ihrer Ansicht.«
    »Und ich kann ihm nicht verzeihen.«
    Ich teilte ihr mit, dass ich auch dafür Verständnis hätte. »Mir ist klar, warum Sie ihn verlassen haben. Ich kenne sogar die Gründe für Ihr Verhalten. Doch er hat sich in den letzten Monaten genauso isoliert gefühlt wie Sie vor Ihrer Entscheidung. So hat er auch empfunden, als wir Ihre Tochter gesucht haben. Sie haben ihn gehasst. Leanne hat ihn gehasst. Er hatte einen Fall, der ihn aufgefressen hat. Aber er hat alles geschluckt und verdrängt, bis der Druck zu groß wurde. Das heißt nicht, dass ich so etwas gutheiße. Ich wollte Ihnen nur erklären, dass er ebenso wie Sie den Eindruck hatte, außen vor zu sein.«
    Sie betrachtete mich schweigend.
    »Verzeihung. Es geht mich nichts an«, fügte ich hinzu.
    »Nein«, sagte sie und streckte ihre Hand aus, »es ist in Ordnung. Die Sache ist nur … der Colm, von dem Sie hier reden, ist nicht der Colm, wie ich ihn im letzten Jahr kennengelernt habe.«
    Ich antwortete, dass ich auch das verstünde, und ließ den Motor an.
    Gemma betrachtete mich, als wolle sie mich noch etwas
fragen, machte jedoch auf dem Absatz kehrt und ging davon. Nach etwa fünf Schritten wandte sie sich noch einmal um und sah mich an. »Wie lange dauert es?«, meinte sie leise.
    Ich sah sie an. Ihre Augen glitzerten im abendlichen Dämmerlicht. Healy hatte vor zwei Tagen dasselbe von mir wissen wollen, und es wunderte mich, dass sie sich beide eine Antwort von mir erhofften. Vielleicht trug ich die Trauer ja noch immer mit mir herum wie einen Fleck, der sich in die Haut eingefressen hatte. Möglicherweise waren auch die ersten Anzeichen von Hoffnung, davon, darüber hinweggekommen zu sein, zu erahnen. Wie bei einem Mann, der die Dunkelheit hinter sich gelassen hatte und nun hinaus ins Licht trat.
    »Irgendwann verabschiedet man sich von einem Menschen«, entgegnete ich, während die Sonne hinter uns in einer Baumgruppe versank. »Aber die Wahrheit ist, dass man ihn nie ganz loslässt.«

76
    Um halb sieben Uhr wurde ich vom Rauschen der Dusche geweckt. Ich wälzte mich langsam auf den Rücken und schaute zur Decke hinauf. Aus der halb offenen Badezimmertür quoll Dampf. Das Bett war leer, und es war kalt im Schlafzimmer. Ich zog das Federbett hoch, rollte mich herum und betrachtete das Foto von Derryn auf meinem Nachttisch. Jeder Zentimeter ihres Gesichts war mir vertraut: die Form ihrer Augen, wie sich ihre Mundwinkel beim Lächeln nach oben bogen, das Muster ihrer Sommersprossen und die Kurven ihres Körpers. Neben dem Bild stand eine dampfende Tasse schwarzer Kaffee.
    Die Dusche wurde abgeschaltet.
    Ich setzte mich auf, trank einen Schluck Kaffee und spähte
durch den Türspalt. Die Duschkabine öffnete sich mit einem Scharren. Ein Arm streckte sich zur Handtuchstange aus, um nach einem Handtuch zu greifen. Die Seite eines Körpers. Tropfen rannen über die Haut.
    Draußen prasselte der Regen gegen die Fensterscheibe.
    Nach einem weiteren Blick auf das Foto von
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