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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen
Autoren: T Weaver
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dem sie auf dieser Welt am meisten
vertraut hatte, für immer fort war. Als ich mich von ihr verabschiedete und zum Auto ging, wurde mir klar, dass sie nach Cranes Tat vermutlich lange brauchen würde, bis sie genug Abstand gewonnen hatte, um wieder jemandem vertrauen zu können.
     
    Megan wurde am gleichen Tag wie Jill aus dem Krankenhaus entlassen. Sie hatte zwar ein paar blaue Flecke abbekommen, doch dem Baby ging es gut. James und Caroline Carver holten sie ab und brachen, umringt von einer Reportermeute, in Tränen aus, als sie sie zum Auto brachten. Megan weinte ebenfalls. Sie entschuldigte sich für ihre Heimlichtuerei und bereute es, dass sie Daniel Markhams Lügen geglaubt hatte. Zu Hause versiegten die Tränen eine Weile, als die Carvers ihrer Tochter alles berichteten, was während ihrer Abwesenheit vorgefallen war. Und dann begleiteten sie ihre schwangere Tochter nach oben in ihr Zimmer. Die Carvers  – James, Caroline und Megan  – saßen zehn Minuten Arm in Arm auf der Bettkante, während Leigh neben ihnen auf dem Fußboden spielte.
    Megans Tochter wurde eine Woche zu früh geboren und bekam den Namen Faith. Ihren Vater würde sie niemals kennenlernen, was angesichts seiner Verbrechen vielleicht auch das Beste war. Doch eines Tages würde Megan ihrer Tochter möglicherweise davon erzählen, was sie hatte ertragen müssen, um sie wohlbehalten zur Welt bringen zu können. Und auch, dass es jeden Moment der Zweifel und der Angst wert gewesen war.
     
    Am dritten November konnte die Familie Healy Leanne endlich zu Grabe tragen. Die große Trauerfeier nach katholischem Ritus fand in einer Kirche unweit ihres Hauses in St. Albans statt. Die irischen Verwandten flogen aus Cork ein
und drängten sich auf den vorderen Plätzen. Leannes Freunde besetzten die Mitte. Ich saß hinten neben Phillips, Chief Superintendent Bartholomew und einigen anderen Mitgliedern der Sonderkommission, die Healy in den ersten Wochen nach Leannes Verschwinden bei der Suche geholfen hatten.
    Bis zu der Schießerei im Wald hätte Healy sich Phillips’ Anwesenheit verbeten  – und dieser wäre auch nicht erschienen. Doch seit Phillips eine Kugel ins Bein und Healy eine Stichwunde in die Brust abbekommen hatten, hatten sie Gemeinsamkeiten entdeckt. Phillips hatte sich sogar erboten, bei Healys Anhörung als Leumundszeuge aufzutreten. Natürlich steckte auch Eigennutz dahinter, denn schließlich wollte er verhindern, dass Healy in einer öffentlichen Verhandlung über Dinge sprach, die die Sonderkommission geheim gehalten hatte. Allerdings genoss Phillips hohes Ansehen, sodass sein Einsatz ein gutes Licht auf Healy werfen würde. Beim anschließenden Essen plauderten die beiden verlegen miteinander. Phillips war krankgeschrieben, Healy bis auf Weiteres suspendiert, weil die Untersuchung durch die Abteilung für Inneres noch ausstand. Nach einer Weile hinkte Phillips auf seinen Krücken davon und fuhr zurück nach London.
    Die meisten anderen, die in jener Nacht dabei gewesen waren, hatten jedoch weniger Glück gehabt. Jamie Hart, der einen Schuss in die Lunge und einen in die Kehle abbekommen hatte, verbrachte drei Tage auf der Intensivstation, bis seine Frau entschied, die lebenserhaltenden Maschinen abzuschalten. Drei uniformierte Polizisten waren ebenfalls ums Leben gekommen. Die Sanitäterin war bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus in Whitechapel gestorben. Der Scharfschütze, der mir Deckung gegeben hatte, war zwar von einer Kugel getroffen worden, hatte aber überlebt, ebenso wie einer der Hundeführer. Auch wenn Aron Crane nicht eigenhändig abgedrückt hatte, trug er die Schuld an diesem Blutbad.

    Als die Sonne allmählich unterging, verabschiedete ich mich von den Trauergästen und schlenderte durch den Verulamium Park zu meinem Auto. Ich ließ den Motor an, blickte auf und sah Gemma Healy, die über den Rasen auf meinen BMW zusteuerte. Sie war Ende vierzig, was man ihr jedoch nicht ansah: dunkles Haar, zierlicher Körperbau, winzige Fältchen um die grünen Augen und kraftvolle, selbstbewusste Bewegungen, die vermittelten, dass sie mit Leid sehr wohl vertraut war, es aber besser ertragen konnte als ihr Mann. Im ersten Moment dachte ich, dass sie in die Kirche wollte. Doch sie kam auf mich zu und wartete, während ich das Fenster herunterkurbelte.
    »Hallo«, sagte sie leise. Ihr irischer Akzent war stärker als der ihres Mannes. »Wir sind uns zwar noch nicht vorgestellt worden, aber ich weiß, wer Sie sind.«
    Ich
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