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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Autoren: Stephan Russbült
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demütig den Kopf gesenkt oder fröhlich hüpfend, wie ein betrunkener Barde. Er wählte etwas von allem.
    Der Weinkeller, der Bocco als Behausung diente, hatte sich seit seinem letzten Besuch keinen Deut verändert. Bocco saß auf dem Schemel hinter ihrem Tisch, wofür Hagrim auch dankbar war. Der Anblick der Alten, wie sie ihren halb verfaulten Leib über den Boden zog, wäre sicher Übelkeit erregend. Bevor er diesen Anblick ertrug, wollte er wenigstens eine Flasche guten Roten intus haben. Die meisten Frauen wurden dadurch hübscher. Mit etwas Glück würde Bocco dadurch zu einem hässlichen Weib werden, und dann wüsste er, was zu tun war - weiter trinken. Hagrim trat näher.
    »Die Abmachung besagte, dass ich erst in Eure Dienste trete, sobald die Götter ein Lebenszeichen von sich gegeben haben. Ich habe kein Zeichen gesehen«, beharrte Hagrim.
    »Du hast noch nie ein Zeichen der Götter gesehen, geschweige denn verstanden«, fauchte Bocco ihn an. »Die Götter sind erwacht und schenken den armseligen Kreaturen auf ihrer Welt wieder ihre Gunst.«
    »Beweist es«, murrte Hagrim störrisch.
    »Nicht so schnell. Du wirst noch früh genug das Spiel der Götter wieder miterleben können. Zuerst solltest du dich in deine neue Rolle einfinden. Bist du gar nicht neugierig, wie du deinen Dienst bei mir leisten sollst?«
    Hagrim schluckte. Seine Vorstellungen reichten weiter, als sein Magen es erlaubt hätte, doch er war sicher, dass dieser alten Hexe auch noch mehr einfallen würde. Er durfte keine Angst zeigen.
    »Saubermachen wäre für den Anfang schon mal ganz gut. Außerdem solltet Ihr dort oben hinter dem Tresen einen guten Mann haben.«
    Wieder gab sich Bocco Talis ihrem Lachen hin.
    »Vielleicht, wenn etwas Zeit bleibt. Zeit wirst du nämlich genug haben, mehr als dir lieb sein wird.« An ihrer knochigen Hand hob sie einen schwarzen Krähenflügel hoch. »Kennst du dich mit diesen geflügelten Biestern aus?«
    »Sicherlich - er ist tot«, erklärte Hagrim.
    »Tot ist nicht ganz richtig, eher kaputt. Du wirst nämlich mein neues Vögelchen sein.«
    Hagrim verstand nicht. Ein Vögelchen? Er hatte keine Flügel. Er konnte nicht fliegen, höchstens aus Kneipen, wenn ihm das Geld ausging. Was wollte dieses Ungeheuer von ihm?
    Bocco schien seine Gedanken lesen zu können.
    »Ich habe dich und diese junge Hexe bereits belauscht, bevor ihr meinen Keller betreten habt. Ich habe dich sagen hören: Bocco ist doch kein Name, das ist ein Geräusch. Die Geschichte von Bocco Talis wird nur noch Kindern erzählt, um ihnen Angst zu machen. Kein Mensch glaubt daran.«
    Der lange schwarze, in sich gekrümmte Nagel ihres Fingers zeigte auf ihn.
    Ich werde dich Nacht für Nacht in die Schankstuben, Gaststätten, Kneipen und Hurenhäuser der Welten schicken, und dort wirst du ihnen von mir erzählen. Bocco Talis wird nicht länger ein Kindermärchen bleiben.«
    Wieder lachte sie, doch zum Glück verhüllte ein Schleier ihr zerfressenes Gesicht. Hagrim hätte sich auch einen Schleier gewünscht, denn er schaffte es nicht, sein freudig erregtes Grinsen zu unterdrücken.
    »Wahrlich, die Götter sind erwacht, und sie haben mich in das Paradies geschickt«, stieß er hervor.
    »Schluss jetzt mit den Albernheiten«, schrie Bocco und schlug mit der Faust auf den Tisch. Hagrim dachte, ihre Finger zerbröckelten unter der Wucht des Schlages, aber es waren doch nur schwarze Federn.
    »Hol eine Flasche roten Cyrinischen aus dem Regal«, trug sie ihm auf.
    Hagrim tat wie ihm befohlen. Er hatte keine Schwierigkeiten, die Flaschen zu finden, mit Wein kannte er sich aus. Als er zurück an den Tisch kam, standen dort bereits eine flache Bronzeschale und eine kleine Phiole. Bocco riss ihm die Flasche aus der Hand, entkorkte sie mit der Apparatur am Tischrand und goss den roten Wein in die Schale. Danach träufelte sie einige Tropfen aus der Phiole hinein.
    »Koste einmal«, sagte sie mit einladender Stimme.
    Hagrim tippte kurz mit dem Finger in den Wein und kostete.
    Bunte Schlieren schlängelten sich auf der Oberfläche des Weins und formten sich alle Augenblicke anders.
    »Du willst sehen, was aus deiner kleinen Freundin geworden ist?«, fragte Bocco. »Rühre mit dem Finger im Wein und du wirst sie sehen. Erzähl mir alles, was du darin erkennen kannst, meine Augen sind schlecht.«
    »Vielleicht liegt es am Schleier?«, gab Hagrim etwas voreilig zurück. »Soll ich ihn für dich lupfen?«
    Hagrim schluckte abermals. »Nicht nötig, ich werde
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