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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut
Autoren: Linda Barnes
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sie. Und sie war doch fünfmal
verheiratet. Wie alt ist sie überhaupt?»
    «Alt genug, um Dracula zu
spielen», meinte Greg.
    «Und wie hat sie die Rolle
gekriegt?»
    Greg zwinkerte Spraggue zu.
«Hör dir nur ihr naives Geplapper an!» Er redete mit Georgina wie mit einer
begriffsstutzigen Zweijährigen. «Alte Freunde, Herzchen. Sie und Darien
sind alte Freunde. Und enge Freunde dazu.»
    «Ich kenne die Geschichte der
Orchideen», sagte Emma ruhig.
    «Erzähl uns alles, Herzchen!
Sofort!»
    Emma linste vorsichtig nach
links und nach rechts. Unter der Aufsicht der Inspizientin flitzten
Bühnenarbeiter geschäftig herum. Kein anderer Schauspieler war in Hörweite.
Ambrose hatte eigentlich gleich ihren Auftritt, faulenzte aber wahrscheinlich
immer noch in der Garderobe. Sie bevorzugte Zurückgezogenheit und
Sonderbehandlung vor der Kameradschaftlichkeit ihrer Kollegen.
    Mit einem boshaften Funkeln in
den Augen trat Emma in die Mitte des Ganges und trug ihre Geschichte à la
Shirley Temple vor.
    «Es war einmal», lispelte sie,
«eine Prinzessin namens Caroline, die mit einem sagenhaften südamerikanischen
Millionär verheiratet war. Das war nach ihren beiden ersten Ehen, müßt ihr
wissen, und vor ihren letzten beiden. Er war groß und dunkelhäutig und sehr
attraktiv, obwohl er viel älter war als unsere Caroline. Ihm gehörten alle
Kaffeebohnen und alle Ananas und alle Orchideen Kolumbiens.»
    Emma warf sich theatralisch in
Positur, eine Hand flach an die Stirn gelegt, und fuhr fort. «Sie lernten sich
kennen, als er New York besuchte und Caroline in Strange Interlude bewunderte. Er ging hinter die Bühne. Unsere Caroline, gelangweilt von ihrem
zweiten Ehemann und all dem vielen Geld, blendete ihn.»
    «Ich weiß wirklich nicht, wie
sie das macht», meinte Georgina. «Ich war noch kein einziges Mal verheiratet!»
    Emma drehte sich um.
«Unterbrich mich nicht! Er entführte Prinzessin Caroline in seine Heimat und
heiratete sie, wenn auch ein wenig verspätet. Gerüchte drangen aus dem Dschungel.
Sie war schwanger. Sie war nicht schwanger. Sie hatte ein Kind verloren,
vielleicht absichtlich. Ihr Mann schlug sie. Sie schlug ihn. Ihr kennt alle
dieses Zeug. Nach einem Jahr tauchte Caroline jedenfalls wieder in New York
auf, allein. Sie reichte wegen größter seelischer Grausamkeit die Scheidung
ein.» Emmas Stimme schraubte sich zu einem Crescendo hoch. «Und jetzt bekommt
sie jeden Tag ein Andenken an dieses eine glückliche Jahr: Orchideen von der am
Äquator gelegenen Plantage des Kolumbianers. Wenn sie gerade auf einer Bühne
steht, werden sie ins Theater geschickt; zwischen den Aufführungen bekommt sie
sie nach Hause...»
    «Genau wie bei DiMaggio und den
roten Rosen auf Marilyns Grab», seufzte Georgina.
    Greg schnaubte verächtlich.
«Wenigstens hatte er genug Anstand zu warten, bis sie tot war!»
    Georgina beachtete ihn nicht
weiter. «Man sollte doch meinen, er hätte damit aufgehört, nachdem sie wieder
heiratete...»
    «An dem Tag, an dem Caroline
Harvey Dingsbums heiratete, hat sie zwei Dutzend weiße Orchideen bekommen»,
sagte Emma. «Diese kleine Affäre dauerte nur sechs Monate oder so, und die
Blumen kamen weiter. Caroline protestierte nicht. Es trägt zu einer gewissen
Berühmtheit bei, die Presseberichterstattung et cetera, die Orchideen-Lady zu
sein.»
    «Vielleicht», sagte Georgina
verträumt, «machte er das ja nur, damit sie ein schlechtes Gewissen kriegt,
weil sie ihn verlassen hat. Ihr wißt schon, eines Tages kommen keine Orchideen
mehr, und dann wird sie sich nach dem Warum fragen, und dann wird sie eine Zeitung
in die Hand nehmen und seine Todesanzeige lesen, und...»
    Greg kicherte. «Georgie, deine
Talente werden hier vergeudet. Wirklich. Wieso schreibst du keine Seifenopern?»
    «Nun, es ist eine gute
Geschichte.» Georgina sah Emma fragend an. «Falls sie wahr ist.»
    Emma lächelte zu der ernsten
Blondine herab. «Soweit ich weiß, Schätzchen, ist sie wahr.»
    «Wir müssen Lady Caroline
demnächst mal dazu kriegen, mit den Arbeitstieren ‹Wahrheit) zu spielen»,
meinte Greg.
    «‹Wahrheit›?» fragte Georgina.
    «Das ist ein Spiel, Herzchen.
Ein wirklich reizendes Spiel.»
    «Was hast du jetzt schon wieder
vor, Greg?» Emmas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Diese Augen
besaßen ein unglaublich intensives Smaragdgrün. Spraggue konnte sich nicht
erinnern, schon einmal Augen mit diesem Farbton gesehen zu haben. Was ihn
sofort an Kontaktlinsen denken ließ.
    «Ich dachte
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