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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut
Autoren: Linda Barnes
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etwas?»
    «Was?»
    «Haben Sie dem Ensemble
erzählt, daß Sie mir den Seward anbieten wollten? Oder der Crew? Irgendwem?»
    «Nein.» Dariens Antwort war
bestimmt.
    «Als Sie meine Tante angerufen
haben, haben Sie das aus Ihrem Büro gemacht?» Was so privat gewesen sein dürfte
wie eine Leuchtschrift über dem Charles River. Drei Türen. Ein Paradies für
Lauscher.
    «Vielleicht. Doch, ja, ich
glaube schon. Warum?»
    «Danke, Arthur.»
    «Legen Sie nicht auf! Wieso
wollen Sie das wissen?»
    «Nichts, Arthur. Schon gut.»
    «Michael?» Darien klang
hoffnungsvoll. «Haben Sie es sich schon überlegt? Ich meine, ich will Sie ja
wirklich nicht drängen, aber...»
    «Ich habe nicht mal angefangen,
das verdammte Skript zu lesen.» Die Worte erstarben auf Spraggues Zunge. Er
warf einen schrägen Blick auf die enthauptete Fledermaus, die auf dem
fröhlichen Geschenkpapier lag.
    «Ich nehme die Rolle an», sagte
er.

Kapitel Drei
    «Jeder auf seinen Platz!»
    «Na, los! Die Arbeitslichter
aus!»
    «Nur ganz minimales Blau
zwischen den Szenen! Noch ein bißchen dunkler. So lassen! Fangt mit 47B an.
Einstellung 10. Okay?»
    «Kann ich die normale
Beleuchtung ausmachen?» Die Inspizientin legte eine Hand über die Augen,
blickte erwartungsvoll zum Orchestergraben. Sie sah ihn nicht wirklich, wußte
aus Erfahrung, wo Arthur Darien saß. Der Regisseur nickte, erkannte dann, daß
die Scheinwerfer die Frau blendeten.
    «Bitte, Karen», brüllte er
zurück.
    Karen Snow, Inspizientin.
Spraggue hakte sie auf seiner geistigen Liste ab. Sah auch nicht annähernd so
hart aus, wie sie sich anhörte. Ihre Stimme war für diesen Körper zu kräftig.
Sie hatte dunkles Haar. Sie nickte einmal kurz und verschwand in den Kulissen.
Die Autorität überspielte ihren zierlichen Körper. Während all des Chaos den
ganzen Morgen über, erkannte Spraggue jetzt, hatte er die Inspizientin nicht
einmal laufen sehen, hatte ihre Stimme nicht einmal schrill werden hören.
    Ein fetter Mann schwebte den
Gang des Zuschauerraumes herunter und ließ sich behutsam neben Arthur Darien
nieder. Sein Gesicht war so rund und glatt wie sein Körper; sein Haar war für
einen so blassen Menschen ziemlich dunkel, und es war schmierig. Er faltete die
Hände über seinem Bauch, verdeckte so die Lücke, wo das riesige blaue Hemd
nicht bis an die marineblaue Hose reichte.
    Darien lächelte, sagte hallo.
Er nannte den fetten Mann Dennis. Dennis. Das dürfte dann der Intendant sein,
Dennis Boland. Noch einer für die Liste. Außer Konkurrenz, hatte Darien gesagt.
War nicht in der Stadt, als...
    «Vorhang!» Das Licht erlosch,
wurde dann allmählich wieder heller, fiel dunkelblau auf Nebelfetzen. Die
schwachen Strahlen leuchteten das noch unfertige Bühnenbild vorteilhaft aus.
Die gesamte Kulisse war auf einer Drehbühne errichtet. Auf der einen Hälfte das
Westenra-Haus und verschiedene Zimmer in Dr. Sewards Sanatorium. Die andere
stand in krassem Gegensatz zu den realistisch gestalteten viktorianischen
Innenräumen, bestand ausschließlich aus Stufen, Absätzen und Plattformen — ein
konstruktivistischer Ansatz, um sowohl die Felsenküste bei Whitby als auch die
uralten Zinnen von Schloß Dracula darzustellen.
    Der aktuelle Schauplatz war
Transsilvanien, ein Gemach auf dem Stammsitz des Vampirs.
    Spraggue fand, daß die beiden
Schauspielerinnen auf der Bühne zusammen noch besser aussahen als jede für sich
allein. Seite an Seite betonte die blonde Georgina Phillips mit ihrer
zierlichen Figur die Model-Größe der brünetten Deirdre Marten. Die Blonde sah
wie eine Platinblonde aus; das seidige Haar der Brünetten schimmerte
pechschwarz. Gemeinsam waren Draculas Bräute Zeugnis für den vorzüglichen
Geschmack des Königs aller Vampire.
    Georgina verpatzte eine Zeile,
vergaß ihren Text, suchte verzweifelt nach den richtigen Worten.
    «Stop!» Arthur Dariens müde
Stimme, unterbrach die Probe. Spraggue grinste. Gott, er erinnerte sich an
diesen Ton, dieses enttäuschte
Du-hast-mich-schon-wieder-im-Stich-gelassen-Seufzen, diese scheußliche
Nachsichtigkeit. Vor zehn Jahren, als frischgebackener Schauspieler, hatte
Michael Spraggue sie einfach nur als niederschmetternd empfunden. Selbst heute
noch war er froh, nicht zur Zielscheibe dieser Stimme zu werden.
    «Zehn Minuten Pause», fuhr die
Stimme betrübt fort.
    Schritte. Darien und der
Dramatiker verließen den Zuschauerraum. Die dunkelhaarige Frau entschwebte
wortlos in die Kulissen. Die blonde Braut, inzwischen eine
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