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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
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Stimmengewirr, Rufen und Lachen wurde immer lauter. Bunte Luftballons rissen sich los und stiegen in den Himmel. Aus einer Musikanlage schepperte Musik. Die breite Straße mit den Alleebäumen und Grünstreifen auf beiden Seiten war zum Schauplatz eines Volksfestes geworden.
    Das Grundstück der Burschenschaft war durch massive Absperrgitter gesichert, hinter denen mehrere uniformierte Polizisten standen. Etwa zwanzig Meter davon entfernt befand sich auf der anderen Straßenseite eine mit bunten Flaggen der verschiedensten Nationen geschmückte Bühne, auf die Schwarz zusteuerte, als er aufgehalten wurde.
    »Anton, da schau her, haben sie dich befördert?« Jankl grinste und deutete auf die Ordnerbinde.
    Schwarz war nicht nach scherzen zumute. Er betrachtete kopfschüttelnd den ehemaligen Kollegen, der wohl aus Gründen der Tarnung einen Trachtenanzug trug.
    »Der Anzug ist von meinem Vater.«
    »So schaut er aus. Ist der Buchrieser auch da?«
    »Der hat sich krankgemeldet.«
    »Hat er Probleme mit dem Einsatz gehabt?«
    »Mit dem Alkohol gestern.«
    »Wie viele seid ihr?«
    »Fünf. Mit mir.«
    »Wie bitte: Nur fünf?« Schwarz’ Herz setzte einen Moment lang aus. Er atmete tief durch. Was hatte er denn erwartet? »Habt ihr wenigstens ein aktuelles Foto von Burger?«
    »Ja, sicher. Habe ich mir eigens aus dem Knast schicken lassen. Mach dir mal keine Sorgen, Anton. Wir sind hier nicht die Einzigen, die nach ihm Ausschau halten.«
    Schwarz schaute ihn fragend an. »Habt ihr die Einsatzhundertschaft angefordert?«
    »Haben wir. Außerdem möchte ich wetten, dass der Burger längst vom Verfassungsschutz eskortiert wird. Wenn er überhaupt auf dem Weg hierher ist.«
    »Haltet bloß die Augen offen«, sagte Schwarz und kämpfte sich weiter voran.
    Es dauerte noch einmal fast fünf Minuten, bis er die Bühne erreicht hatte. Er kletterte hinauf und suchte sich einen Platz zwischen zwei großen Lautsprecherboxen. Hier störte er keinen und hatte einen guten Überblick.
    Die Zahl der Demonstranten war schwer zu schätzen. Es mochten fünf-, vielleicht sogar zehntausend sein und der Zustrom schien nicht abzureißen. Direkt vor der Bühne standen in Trainingsanzügen die Mitglieder des Sportvereins Blau-Weiß 57.   Schwarz erkannte sofort Pavel Fraenkel, den Vereinsvorsitzenden, und den jungen Marek, der damals unter Burgers Wagen geraten war. Beide trugen Kippas.
    Heiner und seine Leute hatten sich an den Absperrgitternvor der Villa aufgebaut. Sie winkten spöttisch zu den Fenstern im ersten Stock, hinter denen Burschenschaftler mit Fotoapparaten standen.
    Schwarz hörte ein Knacken. Rainer Bandmann stand ein paar Meter von ihm entfernt in der Mitte der Bühne und testete die Lautsprecheranlage. »Eins, zwei, eins, zwei.«
    Schwarz sah auf die Uhr. Es war genau elf. Kurz verstellte ein Kameramann ihm den Blick, entschied sich dann aber glücklicherweise für eine andere Perspektive.
    Die erste Rednerin trat ans Mikrofon. Die stellvertretende Bürgermeisterin. Als sie ihr Grußwort verlas, den Organisatoren für ihr Engagement und den Teilnehmern für ihr Kommen dankte, ebbte der Lärm zum ersten Mal ein wenig ab.
    Schwarz ließ seinen Blick über die Menschenmenge schweifen. Wie sollte er Tim Burger hier entdecken? Wenn er tatsächlich gekommen war und Ernst machte, würde es ein Blutbad geben, wie die Stadt es seit dem Attentat auf das Oktoberfest 1980 nicht mehr erlebt hatte.
    Schwarz brach der kalte Schweiß aus. Wenn ich jetzt beten könnte, dachte er, und glauben, dass es hilft, und wüsste, zu wem: Ich täte es glatt.
    »Ich habe doch gesagt, wir verlieren uns nicht aus den Augen.« Schwarz erkannte Loewis Stimme sofort. Er lächelte dem Anwalt zu, und sie schüttelten kurz Hände. Loewi wirkte so sicher. Kein Zeichen von Beunruhigung. Hatte Schwarz sich doch in etwas verrannt?
    Die Bürgermeisterin ging unter Applaus ab.
    »Die anderen sind hinter der Bühne«, sagte Loewi.
    »Wer?«
    »Na, Ihre und meine Familie.«
    »Meine?«
    Da trat Monika ans Mikrofon. Sie räusperte sich undzupfte nervös ihr etwas zu großes T-Shirt mit dem Slogan der Demonstration zurecht. »Liebe Münchner und Münchnerinnen«, rief sie, »liebe Schüler und Schülerinnen! Als Leiterin eines städtischen Gymnasiums bin ich besonders glücklich, hier so viele junge Menschen zu sehen   …«
    Schwarz hing an ihren Lippen wie ein Fan an seinem Star. Doch plötzlich fiel sein Blick auf einen Mann, der kaum zehn Meter von ihm entfernt mit dem
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