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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
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verloren hatten. Sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatten für ihren Mut, Tim Burger der Polizei zu überantworten, entsetzlich büßen müssen.
    Er dachte an Rainer Bandmann, der im Stil der übelsten Rassenhetze bedroht worden war, bloß weil er sich von einer durchtriebenen Blondine für ihre Machtspielchen hatte missbrauchen lassen.
    Er dachte an den Mordversuch an dem aufrechten Karl Loewi, der mit seinem idealistischen Aussteigerprogramm zur Hassfigur der Neonazis geworden war.
    Er dachte an Marco Kesslers abgrundtiefe Angst und mutmaßliche Entführung, an Linda Heintls Ablenkungsmanöver, durch das er wie ein Anfänger vorgeführt worden war,und an das Untertauchen dieser tickenden Zeitbombe Tim Burger. Sein Gefühl sagte ihm, dass bei all diesen Ereignissen Jörg von Medingen Regie geführt hatte.
    Und dann gab es noch diese Handgranate, die irgendwo auf ihren Einsatz wartete. Schwarz hatte eigentlich keinen Zweifel mehr, dass dafür die morgige Demonstration vorgesehen war.
    Ich werde da sein, dachte er, aber nicht als Ordner, der nach Störern Ausschau hält. Die alten Kollegen von der Polizei greifen sich auch ohne meine Aufforderung mit Begeisterung jeden Radaubruder.
    Ich werde da sein, auch wenn Loewi mich entlassen hat.
    »Ich werde wegen mir da sein«, sagte er laut.
    Dann holte er sich ein Bier und legte Miles Davis auf.
     
    Knapp sechs Stunden später riss ihn das Telefon aus seinem traumlosen Schlaf. Kolbinger.
    »Anton«, sagte er mit einem seltsamen Ton in der Stimme, »tust du mir einen Gefallen?«
    Zehn Minuten später stand Schwarz unfrisiert und noch halb ohnmächtig auf der Straße.
    »Sie müssen mal wieder zum Friseur«, rief Jo aus dem
Koh Samui
. »Es ist nicht gut, wenn ein Mann in Ihrem Alter sich so gehen lässt.«
    Schwarz reagierte nicht. Er sah von der Innenstadt herkommend ein anthrazitfarbenes Fahrzeug mit Blaulicht, das die Wagenkolonne zum Teil auf dem Fahrradweg überholte. Die Ampel sprang auf Rot, der Fahrer ließ eine Sirene aufheulen und lenkte den Wagen quer über die Kreuzung auf die Gegenspur, an deren Rand Schwarz stand.
    Kolbinger stieß von innen die Tür auf.
    »Wo?«, fragte Schwarz.
    »In der Aubinger Lohe.«
    »Ich habe nicht gefrühstückt«, sagte Schwarz, »wenn du willst, dass ich bis Aubing dabei bin, fahr nicht wie eine gesengte Sau.«

65.
    Die Schäferhunde bellten hysterisch, mit Seilen gesicherte Polizisten durchkämmten den dicht bewachsenen Abbruch der ehemaligen Kiesgrube. Schwarz, der mit Kolbinger auf einem Trampelpfad unterwegs war, fluchte, weil ihm das Dornengestrüpp die nackten Unterarme zerkratzte. Ein junger Polizist führte sie zum abgesperrten Fundort der Leiche. Drei Spurensicherer in weißen Overalls kamen ihnen entgegen und nickten stumm.
    Schwarz bückte sich und trat in den Betonbau. Es dauerte eine Weile, bis seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Dann sah er den Toten. Er lag seitlich zusammengekrümmt wie ein Embryo. Den Kopf umgab eine kreisrunde, blutgetränkte Fläche wie ein dunkler Heiligenschein. Das Eisen, das im abgewendeten Auge des Toten steckte, hob sich kaum vom Erdboden ab, so dass Schwarz es erst auf den zweiten Blick bemerkte.
    Er trat näher und kniete sich vor die Leiche hin.
    »Was ist das, eine Lanze?«
    »Wir wissen es noch nicht«, sagte eine Stimme hinter ihm.
    In dem Moment sah Schwarz, dass die Spitze der Waffe auf der Rückseite des Schädels wenige Zentimeter über dem Nackenansatz ausgetreten war. Sein Magen hob sich. Er stand auf, schloss die Augen und atmete zwei-, dreimal tief aus und ein. »Kann man die Leiche kurz umdrehen?«, sagte er.
    »Ja, wir sind mit der Spurensicherung fertig, einschließlich der Fingerabdrücke an der Tatwaffe«, hörte er wieder die Stimme.
    Auf Anweisung Kolbingers kamen die Männer in den Overalls herein. Sie trugen Handschuhe. Einer packte die Leiche bei den Beinen, der zweite am Oberkörper, der dritte nahm die Eisenstange in die Hand.
    »Und   … jetzt!«, sagte der erste.
    Es gelang ihnen tatsächlich, den Toten herumzudrehen, ohne dass das Pflockeisen durch sein Gewicht den Schädel noch weiter verletzte. Der Anblick war auch so entsetzlich genug.
    Kolbinger schaute zu Schwarz, der reglos dastand. »Und?« Der Ermittler reagierte nicht und starrte weiter auf den Toten, der ihn mit dem unverletzten Auge anzublicken schien.
    Kolbinger machte den Spurensicherern ein Zeichen. Sie ließen die Leiche mitsamt dem Eisen langsam wieder in
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