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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
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Schwarz. Er drehte die Musik lauter.
    Emeznß bet, emeznß glet, wi mit sajd. Un majn blut flejzt baruikt wi di zajt.
    Und mein Blut fließt so ruhig wie die Zeit. Von wegen, dachte Schwarz, wenn sie jetzt wirklich einschläft, dann kocht mein Blut.
    Seine Mutter lag bewegungslos da.
    »Blödsinn.« Er stoppte das Lied und versuchte, sich zu beruhigen. Es war lächerlich, gegen seine Mutter zu wüten. Sie hatte ja nicht aus böser Absicht einen Schlaganfall erlitten. Und es war nicht ihre Schuld, dass sein Versuch, sie zum Reden zu bringen, gescheitert war.
    »Ich muss mehr Geduld mit dir haben, Mama«, sagte er, »entschuldige, bitte.«
    Da sah er, dass sich in ihren Augenwinkeln Tränen bildeten.

62.
    Es war dunkel geworden. Ein leichter Nieselregen benetzte die Straßen und ließ den Asphalt unter den Lichtern der Autos glänzen. Schwarz war auf dem Weg zurück nach München. Er steckte die CD mit der Klesmer-Musik in den Player, aber als er schon nach wenigen Takten zu schniefen anfing, schaltete er lieber auf Radio um. Nach einem belanglosen Popsong kam ein Bericht über die geplante Demonstration gegen die Partei
Die Rechten
. Ein Polizeisprecher erklärte, man erwarte mehrere Tausend Teilnehmer, hoffe auf einen friedlichen Verlauf, sei aber für alle Eventualitäten gerüstet.
    »Wenn ihr wüsstet«, sagte Schwarz.
    Dann hörte er Eva Hahns Stimme. Sie forderte alle friedliebenden Menschen dazu auf, mit ihrer Teilnahme an der Kundgebung zu beweisen, dass München eine liebenswerte und tolerante Stadt sei. »Deswegen gibt es hier keinen Platz für eine Partei, die mit gezielter Ausländerhetze auf Stimmenfang geht. Stoppen Sie mit uns die Rechten!« Der Bericht endete mit den Stimmen mehrerer Prominenter, die zur Unterstützung der Demonstration aufriefen.
    Als Schwarz in das Haus der Familie Hahn zurückkehrte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Die Zahl der Leute, die bei der Vorbereitung der Kundgebung halfen, hatte sich innerhalb von knapp drei Stunden mindestens verdoppelt. In allen Zimmern im Erdgeschoss herrschte eine fröhliche Betriebsamkeit und jeder schien zu wissen, was sein Platz und seine Aufgabe war.
    Schwarz spürte plötzlich ein Gefühl wie Neid. Warum konnte er nicht einfach mitmachen? Warum war er immer derjenige, der Bedenken hatte, wenn es um solche Aktionen ging? Er war nicht intelligenter und nicht ängstlicher als viele andere, trotzdem gehörte er im entscheidenden Moment nie dazu.
    Aber diesmal war das Problem nicht sein Individualismus oder das Misstrauen gegenüber allen größeren Gruppen. Diesmal fiel ihm schlicht eine andere Aufgabe zu, als mit der Masse zu demonstrieren. Er musste herausfinden, was Burger plante. Er musste ihn unbedingt stoppen.
    Aber war Tim Burger überhaupt noch zu stoppen?
    Auf der Suche nach Eva Hahn entdeckte Schwarz in der Küche Rainer Bandmann. Er hatte einen Laptop auf seinen Knien und war von mehreren Mädchen umringt, die Vorschläge machten, wer noch persönlich eingeladen werden sollte. Schwarz hielt den jungen Mann wegen seiner Affäre mit Linda Heintl für ähnlich gefährdet wie die Loewis. Er trat einen großen Schritt auf ihn zu, Bandmann schaute auf. Sein Blick war so sorglos und glücklich, dass der Ermittler darauf verzichtete, ihn vor der Teilnahme an der Demonstration zu warnen.
    »Also, wenn selbst ein Berufsskeptiker wie du dabei ist, wird das morgen eine gigantische Sache«, sagte Monika und nahm Schwarz in die Arme.
    Schwarz staunte. »Du auch?«
    »Nein, wirklich, Herr Schwarz, Sie machen mit?«, rief Eva Hahn und strahlte.
    Schwarz fand nicht den Mut zu einem klaren Dementi, im Gegenteil. »Ja, ich werde wohl kommen.«
    »Wir brauchen dringend Ordner«, sagte Monika, »das wäre doch was für dich.«
    »Weil ich so ordentlich bin?«
    »Ich hole Luisa, die ist dafür zuständig.« Monika lief aus dem Raum.
    Luisa auch noch, dachte Schwarz. Das ist ja wie ein Virus, der vor niemandem Halt macht. Obwohl,
Virus
war ein zu negatives Wort. Eigentlich war es ja bewundernswert, wie sich alle von der schönen Idee anstecken ließen, man könne einen eiskalten Zyniker wie von Medingen mit einer friedlichen Kundgebung in seine Schranken verweisen.
    Aber alle diese wohlmeinenden Menschen – außer Loewi – hatten nicht die geringste Ahnung, was für ein Damoklesschwert über ihnen schwebte.
    Schwarz griff in seine Jackentasche und reichte Eva die geliehene CD. »Danke.«
    Sie sah ihn an, und plötzlich war ihm danach, es ihr zu
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