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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
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Tür auf und zerrte ihn aus dem Wagen.

2.
    22.   Mai 2008
     
    Das Klingeln erreichte Schwarz in einem Traum, in dem seine Frau endlich wieder bei ihm lag. Wie warm sich ihre Haut anfühlte, wie vertraut sie roch. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, ihr Atem kitzelte ihn.
    »Sag’s noch mal, Monika, bitte.«
    Sie schwieg, dafür klingelte es zum zweiten Mal. Er wollte nicht aufwachen. Auch ein Ermittler braucht seine Träume. Er spähte mit einem Auge zum Wecker. »Neun? Welcher Verrückte   …?«
    Jetzt war er wach. Sein erster Blick fiel auf den Kleiderberg neben dem Bett. Alter Schlamper, hätte Monika bei diesem Anblick gesagt, und er hätte dann irgendwann aufgeräumt. Aber Monika war nicht mehr da, und so wurde der Berg höher und höher.
    Er hörte die Stimmen der Thailänder unten im
Koh Samui
. Die schnippelten seit Stunden für ihre Currys, und er lag halb bewusstlos im alten Tanzsaal der ehemals bayerischen Wirtschaft. Er hoffte inständig, der Quälgeist vor seiner Tür würde freiwillig den Rückzug antreten. Vergeblich.
    Schwarz erhob sich seufzend. Wenn er Glück hatte, war es seine Tochter, die ihm manchmal seine geliebten Karlsbader Oblaten vorbeibrachte. Das letzte Mal vor zwei Jahren.
    »Herr Schwarz?« Der etwa sechzigjährige Mann blickte ihn durch eine randlose Brille an. Er trug ein anthrazitfarbenes Jackett und zum weißen Hemd eine rote Fliege. Künstler, vermutete Schwarz, auch wegen des nach hinten gekämmten, nackenlangen Haars seines Gegenübers.
    »Mein Name ist Karl Loewi, ich bin Anwalt.«
    An ihren Bügelfalten sollt ihr sie erkennen: ein Anwalt, klar.
    »Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt?«
    »Ich bin gerade mit dem Frühsport fertig. Kommen Sie rein.«
    Er holte seine schwarze Jeans vom Kleiderberg und fragte Loewi schon mal, wie er seinen Kaffee trinke. Diese Vorlage hätte er ihm nicht liefern dürfen.
    »Bei Ihnen selbstverständlich schwarz.«
    Schwarz unterdrückte ein Gähnen. In seiner Gegenwart sahen die Leute schwarz, trafen ins Schwarze, ließen jemanden warten, bis er schwarz wurde, regten sich über Schwarzarbeit und die Schwarzen sowieso auf. Schwarz hätte sich darüber schwarzärgern können, hatte aber den magenschonenden Entschluss gefasst, sich lieber über die inspirierende Wirkung seines Namens zu freuen.
    Er reichte Loewi, der sich nicht hatte setzen wollen, die Geschenktasse vom letzten Tag der Offenen Tür der Polizeiinspektion München-Pasing und warf einen verstohlenen Blick auf dessen dunkelbraune, englische Schuhe. Keine Absätze? Der Anwalt war also wirklich ein ganzes Stück größer als er und, obwohl mindestens zehn Jahre älter, unverschämt flachbäuchig. Einen Moment lang bereute Schwarz es, sein im ersten Trennungsschmerz erworbenes Abo beim Fitness-Studio an der Donnersbergerbrücke in zwölf Monaten kein einziges Mal genutzt zu haben.
    Er seufzte und machte es sich auf einem Deckchair bequem, seinem Konferenzstuhl. »Wer hat Sie zu mir geschickt, Herr Loewi?«
    »Ich habe Ihre Adresse im Branchenbuch gefunden.«
    »Tatsächlich? Ich beschatte aber keine Ehefrauen, die zu ihrem Geliebten, und keine Gymnasiasten, die statt in die Schule lieber in den Biergarten schleichen.«
    »Aber Sie sind doch Detektiv?«
    »Privatermittler. Ich habe mich auf Fälle spezialisiert, die andere für geklärt halten. Ich kümmere mich um Leute, die zu Unrecht im Knast sind oder dringend dorthin gehörten.«
    »Dann sind Sie der richtige Mann für mich.«
    Schwarz musterte den Anwalt. Dessen markante Züge ließen darauf schließen, dass er sich durchzusetzen wusste, aber sein Blick verriet eine fast jungenhafte Neugier und Sensibilität. Loewi war ihm sympathisch – trotz seiner athletischen Figur.
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Dazu müsste ich weiter ausholen.«
    »Ich habe Zeit.«
    Während er sprach, ging der Anwalt in dem geräumigen Saal, der Schwarz zugleich als Wohnung und Büro diente, auf und ab. Er kam an der DV D-Sammlung vorbei, die sich ausschließlich aus Meisterwerken der Schwarzen Serie zusammensetzte, und an Regalen mit Aktenordnern sowie kriminalistischer Fachliteratur älteren Datums. Das Eichenparkett knarrte unter seinen edlen Schuhen. Vor dem bedauernswerten Ficus, den Schwarz oft wochenlang vergaß und dann wieder fast ertränkte, machte Loewi kehrt und schritt auf der anderen Seite des Raums an den Familienfotos vorbei.
    Monika, die mit der vier Tage alten Luisa aus der Klinik in der Maistraße tritt und die Nase rümpft, weil sie
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