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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
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nicht?«
    »Weil Burger damit rechnen kann, dass Leute wie Sie dabei sind.«
    Loewi presste die Lippen zusammen und fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar. Dann schüttelte er den Kopf. »Meine Familie würde mir die Hölle heiß machen, wenn ich jetzt kneife.«
    »Rebecca, Ilana und Mirjam müssen auch zu Hause bleiben. Alles andere wäre Wahnsinn. Diese Demonstration ist genau die Provokation, die jemanden wie Burger auf den Plan ruft.«
    »Damals bei der Lichterkette gegen Ausländerfeindlichkeit hat es auch Drohungen aus der rechtsradikalen Szene gegeben, und am Ende ist nichts passiert, weil die Nazis Feiglinge sind.«
    »Herr Loewi, Sie wissen, dass die Gruppe möglicherweiseeine Handgranate besitzt. Burger wird nicht zögern, sie einzusetzen.«
    Loewi schluckte. »Wir haben Polizeischutz.«
    »Polizeischutz, toll. Meinen Sie, zwei schlecht bezahlte Polizisten stellen sich im Ernstfall einem Irren in den Weg, der ein Blutbad anrichten will? Eigentlich müssten Sie dafür sorgen, dass die ganze Demo abgesagt wird.«
    »Ausgeschlossen.«
    Sie schwiegen einen Weile.
    »Ich verstehe Sie«, sagte Loewi schließlich.
    Schwarz atmete auf.
    »Sie nehmen Ihren Auftrag sehr ernst. – Wenn ich fair sein will, muss ich unsere Zusammenarbeit von mir aus beenden.«
    Schwarz war wie vom Donner gerührt. »Sie kündigen mir?«
    Loewi machte ein unglückliches Gesicht. »Nein, so dürfen Sie das nicht verstehen. Ich will Sie nur aus Ihrer Verantwortung entlassen.«
    Dafür ist es zu spät, dachte Schwarz. Für mich gibt es kein Zurück mehr.
    Da Loewi keinen Zweifel daran ließ, dass er es ernst meinte, musste Schwarz andere Mittel und Wege finden, das Schlimmste zu verhindern. Er nickte. »Es war schön, Sie und Ihre Familie kennen gelernt zu haben.«
    »Aber Herr Schwarz, wir verlieren uns ja nicht aus den Augen. Und vielleicht sind Sie ja morgen auch dabei.«
    Schwarz schüttelte den Kopf. »Ich kümmere mich lieber um meine Mutter. Sie liegt im Krankenhaus.« Er hätte Loewi gern mehr erzählt, aber dafür war jetzt nicht der richtige Moment.
    Schwarz war schon im Begriff zu gehen, da fiel ihm noch etwas ein. Er kehrte in das Wohnzimmer zurück, das zumOrganisationsbüro umfunktioniert worden war, und bat Eva, ihm für einige Stunden die CD mit der Klesmer-Musik zu leihen.

61.
    »Was haben
Sie
denn vor?«, sagte die junge Ärztin amüsiert, als Schwarz mit seinem Ghetto-Blaster in das Krankenzimmer trat. »Ich glaube, für Breakdance ist es bei Ihrer Mutter noch zu früh.«
    »Und sonst?«
    »Geht es ihr motorisch eindeutig besser. Wir haben mit der Physiotherapie begonnen. Allerdings macht sie nach wie vor keine Anstalten zu sprechen.«
    Schwarz trat ans Bett seiner Mutter. »Servus, Mama.«
    Sie blickte ihn an. Oder schaute sie durch ihn hindurch?
    »Merkst du, dass ich da bin? Anton, dein Sohn?«
    Sie reagierte nicht.
    »Wenn du nicht reden kannst, gib mir doch ein Zeichen. Heb einfach den linken Arm, wenn du mich verstehst. Also, verstehst du mich?«
    Er wartete. Nichts geschah.
    »Ich lasse Sie jetzt allein«, sagte die Ärztin, »aber überfordern Sie sie nicht.«
    »Klar«, sagte Schwarz und streichelte seiner Mutter über die Wangen. Er war überrascht, wie weich ihre Haut war. Wieso wusste er das nicht? Hatte er sie in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr berührt?
    »Du hast aber auch nicht viel Wert auf Zärtlichkeiten gelegt, lieber ein unterhaltsames Gespräch bei drei bis sieben Glas Eierlikör, habe ich recht?«
    Seine Mutter sah ihn unverwandt an.
    »Ob ich recht habe?«, sagte Schwarz etwas lauter. Er winkte ab. »Du redest ja nicht mit mir. Und gibst mir nicht mal ein Zeichen, obwohl deine linke Seite einwandfrei funktioniert.«
    Er legte die CD in den Ghetto-Blaster. Er hatte sich für ein poetisches, eher ruhiges Lied mit dem Titel
Ergezwi schtil
entschieden. Wenn an Heiners Theorie etwas dran war, benötigte er kein Blasorchester. Was könnte seine Mutter tiefer im Inneren erreichen als die jiddische Sprache, die sie seit ihrer Jugend nicht mehr gehört hatte?
    Schwarz holte tief Luft und drückte auf Play.
    Ergezwi schtil wejnt der wint, asoj kil, asoj lind.
    Er beobachtete sie genau, um nicht die kleinste Regung zu übersehen.
    Ch’ darf azind kejn schum zil; oj , ich wil sajn a kind .
    »Hast du das verstanden, Mama? Ich will
sajn a kind
. So habt ihr damals in Karlsbad geredet. Weißt du das noch?
Sajn a kind !«
    Seine Mutter schloss die Augen. Ihr demonstratives Desinteresse ärgerte
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