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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Nicole C. Vosseler
    Sterne
über
Sansibar

    luebbe digital
    Weitere Titel der Autorin:
    Der Himmel über Darjeeling
    Unter dem Safranmond

    Vollständige eBook-Ausgabe
der bei Lübbe Hardcover erschienenen Hardcoverausgabe

    Lübbe Digital und Lübbe Hardcover in der Bastei Lübbe GmbH & Co.KG

    Textredaktion: Monika Hofko, Scripta Literatur-Studio München
    Grabstein Emily Ruete: Copyright © by Jörg Brochhausen
    Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

    ISBN 978-3-8387-0121-9

    Sie finden uns im Internet unter www.luebbe.de
    Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
    Mit Illustrationen
von Ulrike Aepfelbach
    Jede Zeit hat ihre eigenen Schicksale.
    SPRICHWORT AUS SANSIBAR

    Der Sehnsucht meiner Mutter gewidmet

Aufbruch
    Jena, Februar 1924

    Wenn nun die Ebbe kommt – ist’s dann nicht Zeit Für jene in der Fremde, wieder heimwärts zu zieh’n? Dacht’ ich und konnt’ nicht aufhalten den Tränenstrom, entfesselt von Dingen, die verschlossen in meiner Brust; So manch ein Haus, das auseinanderbrach, und Harmonie ward gestört, die wiederkehrte unversehrt; So die Zeit stets den Wandel bewirkt und Menschen treibt hindurch zwischen Dürre und Regen.
    DI’BIL VON AZD

    Es würde ihre letzte Reise sein.
    Die letzte von so vielen.
    Einmal mehr ein Aufbruch ins Unbekannte. Einmal mehr alles hinter sich lassen, zerrissen zwischen dem, was zurückblieb, und dem, was auf sie wartete.
    Dieses Mal würde sie mit leichtem Gepäck reisen. Nichts nahm sie mit: keinen Koffer und keine Hutschachtel, keinen Geldbeutel; keine Reue, keine Sorge und keine Furcht. Nur die Hoffnung auf ein Wiedersehen. Irgendwann.
    Um ihre Kinder war ihr nicht bang. Sie konnte sie hören, unten im Haus, wo sie zusammengekommen waren, um Abschied zu nehmen. Wände und Türen dämmten ihre ohnehin behutsamen Schritte, dämpften ihre Stimmen zu einem Murmeln, dunkel vor Besorgnis und Kummer.
    Schon lange bedurften sie ihrer nicht mehr. Wie die Zugvögel waren sie einst ausgeschwärmt in die Welt, ehe sie in der Liebe zu ihren eigenen Kindern starke Wurzeln geschlagen hatten. In Hamburg. In London. Hier in Jena.
    Zu Hause, endlich. Zu Ende die Rastlosigkeit, die sie mit ihrer Milch aufgesogen hatten.
    Nach Hause , endlich. Ihre rissigen Lippen, vom Alter unberührt, aber vom Leben mit einem wissenden, fast spöttischen Zug versehen, verbreiterten sich zu einem blinden Lächeln.
    Endlich Frieden finden. Endlich heimkehren.
    Sie war müde. Schon lange hatte sie sich zerschlissen gefühlt, wie ein Kleidungsstück, das zu lange am Leib getragen worden war, dem beständigen Nagen der Elemente schutzlos ausgesetzt. Ausgewaschen von der Zeit waren ihre einstmals kräftigen dunklen Farben: das Haar schon lange weiß und brüchig. Durchscheinend fast, wie von der Sonne gebleichtes Gras. Die Haut aschen und welk, die früher glänzende Iris der Augen matt.
    Sie war der Kämpfe überdrüssig, an deren Ende sie sich hatte geschlagen geben müssen. Erschöpft von einem Leben, das ein so anderes gewesen, als ihr in die Wiege gelegt worden war. Nicht das gehalten hatte, was es einst versprach.
    Reich war es dennoch gewesen. An Jahren. An Wendepunkten, Abschieden und Neuanfängen. Reich an Freud und Leid und reich an Liebe. Das vor allem.
    Ihre Sehnsucht galt nicht mehr denen, die sie zurückließ. Sondern jenen, die vorausgegangen waren.
    Ich bin bereit.
    Allein, ihr Leib wollte sie nicht gehen lassen, gefangen im Spalt zwischen Leben und Tod. Derselbe Leib, der immer voller Kraft gewesen war und biegsam wie ein gesunder Baum, von keinem noch so heftigen Sturm in die Knie gezwungen. Der erst spät unter dem unerbittlich fauchenden Wind der Jahre spröde und zerbrechlich geworden war. Dem jeder Atemzug Mühe bereitete und der sich dennoch weiterhin einen nach dem anderen abrang, pfeifend und rasselnd. Für den quälenden Husten, der ihre Tage zuletzt begleitet hatte, war sie zu schwach geworden. Bitter hatte er geschmeckt; bitter wie die Enttäuschung, die dieses Land ihr bereitet hatte.
    Unruhig tänzelten ihre knotigen, braun gefleckten Greisinnenhände über das Leintuch. Vertraut war ihr dieser Raum, und doch war er nicht mehr der ihre geworden. Ein geborgterRaum. Geborgt die letzten Jahre. Ein Kredit, dessen Zinsen nun fällig wurden, in einer neuen Zeit, die sie nicht mehr verstand.
    Was bleibt am Ende eines Lebens?
    Schritte näherten sich, sanft und vorsichtig; Flüsterstimmen. Kamen sie zu ihr? Sie wollte sich ihnen zuwenden, wollte
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