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Blaubeeren und Vanilleeis

Blaubeeren und Vanilleeis

Titel: Blaubeeren und Vanilleeis
Autoren: Gudrun Helgadottir
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nach dem Regen am Tag zuvor noch reiner war als sonst, ging es ihm gleich besser. Er musste nur vorsichtig radeln, um in den tiefen Pfützen nicht auszurutschen.
    An jenem Morgen hatten offenbar nicht viele Menschen Bankgeschäfte zu erledigen, daher bekam Tumi sofort die Erlaubnis, mit Hermann zu sprechen. Dieses dumme Ding am Schalter, das wie mit einem Kleinkind zu ihm sprach und so tat, als wäre es urkomisch, ihn in der Bank zu sehen, verärgerte ihn ungemein. Blöde Kuh.
    »Na, grüß dich«, sagte Hermann, als Tumi in sein Büro marschierte. Er schien sich zu freuen, Tumi zu sehen.
    »Hallo«, sagte Tumi und machte zum ersten Mal an diesem Morgen den Rücken richtig gerade. »Ich möchte was einzahlen. Geld, meine ich. Vierundzwanzigtausendfünfhundertdreiundvierzig Kronen. Auf mein Sparbuch.«
    Es dauerte nicht lange, bis Hermann die Sparbuchnummer im Computer gefunden hatte. »Ich helfe dir, das Formular auszufüllen«, sagte er. »Mensch, was bist du reich. Hast du im Lotto gewonnen?«
    »Nein«, sagte Tumi und zog das Portemonnaie aus dem Hosenbund. Seine Hosentasche war nicht groß genug, um ein richtiges Erwachsenenportemonnaie darin verstauen zu können. Als er das Geld herausnahm, achtete er darauf, es unter der Tischkante zu halten.
    Aus irgendeinem Grund wollte er nicht, dass Hermann es sehen konnte. Er war sich nicht ganz sicher, ob es in Ordnung war, was er da tat. Doch das spielte eigentlich keine so große Rolle. Hauptsache, er lernte Hermann besser kennen. Wegen Mama.
    Aber Hermann hatte seine Augen anscheinend überall. Er lehnte sich weit über den Tisch. »Tumi«, sagte er. »Bist du so lieb, mir zu sagen, was du da hast?«
    Tumi bekam schwitzige Hände und rieb sie an den Hosenbeinen ab. Er zögerte kurz, dann hielt er Hermann das Portemonnaie hin. »I…ich hab’s gefunden«, sagte er.
    Hermann nahm das Portemonnaie und sah es durch. Zuerst nahm er das Geld heraus, dann öffnete er alle Fächer und besah sich verschiedene Karten und Fotos. »Komm und setz dich zu mir«, sagte er, stand auf und nahm auf einem Sofa in der Ecke des Büros Platz.
    »Ich muss wohl kaum fragen«, sagte Hermann, nachdem Tumi sich zu ihm gesetzt hatte, »aber deine Mutter weiß sicher nichts davon, oder?«
    »Nein«, stöhnte Tumi. »Niemand weiß davon.«
    »Aber du weißt schon ganz genau, Tumi – klug wie du bist – dass nichts aus diesem Portemonnaie dir gehört und du es zurückgeben musst. Wolltest du das Geld wirklich auf dein Sparbuch einzahlen? Du weißt, dass das nicht rechtens ist. Im Grunde ist es dasselbe, wie Geld zu stehlen.«
    Tumi spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Plötzlich begriff er, was für eine Dummheit er begangen hatte. Aber jetzt war ohnehin alles verloren. Hermann hielt ihn bestimmt für einen Dieb. Und wer will schon jemanden heiraten, der einen Dieb zum Sohn hat? Tumi musste Hermann einfach die Wahrheit sagen.
    »Ich wollte dich doch nur unbedingt sehen«, sagte er.
    »Mich? Warum denn?«, fragte der erstaunte Hermann.
    »Ich wünsche mir so, dass du Mama heiratest«, sagte Tumi und sah Hermann flehend an. Der ging zu seinem Schreibtisch und griff nach dem Telefon.
    »Bist du so gut und bringst uns Cola und was zu knabbern?«, sagte er in den Hörer. Dann setzte er sich wieder zu Tumi.
    Er wartete, bis der junge Mann, der die Cola brachte, wieder weg war.
    »Glaubst du, dass deine Mutter mich heiraten möchte?«
    »Ich habe sie noch nicht gefragt«, sagte Tumi.
    »Und warum willst du unbedingt, dass sie jemanden heiratet?«
    »Damit sie nicht immer so allein ist. Ich meine, abends und so. Dann kann sie mit jemandem spazieren gehen oder ins Kino. Vielleicht, wenn Vala eingeschlafen ist. Mama mag es nicht, allein ins Kino zu gehen.«
    Tumi ging es sofort besser. Es war gut, die Wahrheit zu sagen. Das sagte Mama immer. Und Oma und Opa sagten das auch.
    Sie tranken die Cola und aßen das Konfekt, das der junge Mann gebracht hatte.
    »Du bist wirklich ein toller Junge«, sagte Hermann. »Meine Burschen machen sich keine Sorgen, dass es mir abends langweilig werden könnte. Die hauen einfach ab und lassen sich erst wieder blicken, wenn ich schon längst schlafe. Dabei finde ich es auch nicht so toll, allein ins Kino zu gehen. Aber lassen wir das. Wir sollten überlegen, was jetzt zu tun ist. Ich schlage vor, wir gehen zur Polizei, ich komme mit dir, und dann geben wir das Portemonnaie ab. Es gibt bestimmt einen Finderlohn, und dann kommst du einfach noch mal in die Bank und
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