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Blaubeeren und Vanilleeis

Blaubeeren und Vanilleeis

Titel: Blaubeeren und Vanilleeis
Autoren: Gudrun Helgadottir
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fragte Stefan.
    Das fand Tumi nicht gerade nett. »Weil er keine Frau hat«, rutschte es ihm heraus.
    Hermann lächelte ihm zu, dann fragte er, was denn da in der Zeitung stand.
    »Nicht zu fassen, was für ein Gefasel ist denn das?!«, sagte er, nachdem Mama ihm alles erzählt hatte. »Hat denn niemand mit euch darüber gesprochen?«
    »Keine Menschenseele. Und du hast völlig recht: Das ist alles Unsinn«, sagte Opa. »Dieses Land und der Hof gehören uns. Das nimmt uns niemand weg. Ich habe es mir zur Regel gemacht, dass uns niemand ärmer verlässt, als er gekommen ist, aber ich lasse mir nichts unrechtmäßig wegnehmen.«
    Wieder warf Tumi Hermann einen Blick zu. Er musste an das Portemonnaie denken.
    Hermann wusste, woran Tumi dachte. Er sah ihn direkt an und sagte: »Da sind Tumi und ich ganz deiner Meinung.«
    »Mich verlässt jedermann ärmer«, sagte Mama und lachte.
    »Blödsinn. Die Leute gehen und sind um etwas Schönes reicher, mein Mädchen«, sagte Opa.
    »Und wie!«, meinte Hermann und suchte eine Kette für die andere Tante aus.
    »Ich denke, ihr könnt da ganz gelassen sein«, sagte er. »Es würde einen Aufstand in der Stadt geben, sobald da jemand ernsthafte Absichten hegte. Das wäre nicht nur für euch ein Verlust, sondern für uns alle. Der Wallhof muss einfach so bleiben, wie er ist.«
    Dann können Hermann und Mama ja vielleicht zusammen demonstrieren, wenn sie nicht ins Kino gehen, dachte Tumi und schöpfte ein klein wenig Hoffnung.
    Hermann gab Mama das Geld für die Kette und die drei verabschiedeten sich.
    »Gott, was Jungs so alles verdrücken können«, sagte Vildis.
    »Nur die Ruhe, meine kleine Sparbüchse«, sagte Mama und lachte. »Sie haben mehr als genug dafür bezahlt.«

    An diesem Tag machten sie einen kleinen Ausflug zum Beerensammeln. Weit mussten sie nicht gehen. Die Lava war über und über mit Beerensträuchern bewachsen. Oma passte unterdessen auf Vala auf, »damit sie nicht wieder verschwindet«, wie sie sagte.
    »Alle beide verschwinden gerne mal«, meinte Opa gelassen. »Eure Oma ist auf den Kanaren in ein falsches Boot gestiegen. Um ein Haar wäre sie in Afrika gelandet.«
    Müde und glücklich kamen sie nach Hause, mit Dosen und Eimern voller Beeren. Opa hatte ausschließlich Blaubeeren gesammelt. »Krähenbeeren sind was für Vögel«, sagte er.
    Nach dem Abendessen saßen Mama und die Kinder noch eine Weile draußen auf der Veranda, tranken heißen Kakao und erzählten. Vala war längst eingeschlafen. Kein Lüftchen regte sich, und es duftete immer noch ein wenig nach sommerschwerem Grün, das bald abfallen und den Winter über ruhen würde.
    Mama hatte Kerzen angezündet und Wollpullis und den Kakao für die Kinder geholt. Der Vogelgesang in den Bäumen war verstummt, Herbst und Winter standen bevor, die Schule und der Schnee und all die schönen Dinge, die damit verbunden waren. Und warme, gemütliche Abende auf dem Wallhof mit Mama, Oma und Opa. Und vielleicht auch Hermann. Manchmal.
    Das Ehepaar aus der Nummer 21 ging vorbei und winkte. »Wir halten zusammen«, riefen sie. Mama und die Geschwister winkten zurück.
    »Bleiben wir auch ganz sicher immer auf dem Wallhof wohnen?«, fragte Tumi, und seine Stimme zitterte dabei.
    »Natürlich«, versicherte ihm Mama. »So lange ihr wollt. Wir stehen nicht zum Verkauf. Die Stadt kann ihre Millionen behalten.«
    »Wir brauchen keine Millionen«, sagte Vildis.
    »Zumindest nicht allzu viele«, sagte Tumi.
    »Seht mal«, sagte Mama plötzlich. »Es ist Vollmond.« Sie schauten in den Himmel, und es sah so aus, als würde ihnen der Mann im Mond zulächeln. Hoch am westlichen Himmel strahlte die Venus, hell und schön.
    »Alles ist an seinem Platz«, sagte Mama und lachte leise. »Und so wird es auch bleiben.«

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    Gudrun Helgadottir wurde 1935 in Island geboren, wo sie unter vielen Geschwistern aufwuchs und von 1973 bis 1991 in der Politik arbeitete. In diesen Jahren schrieb sie aber auch viele Bücher, manche von diesen wurden in elf Sprachen übersetzt, darunter das beliebteste Kinderbuch Islands
Flumbra – Eine isländische Trollgeschichte
. Sie ist die bekannteste Kinderbuchautorin ihres Landes und erhielt 1992 den Nordischen Kinderbuchpreis.

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    Quellennachweis
    Astrid Lindgren:
Ronja Räubertochter.
    Deutsch von Anna-Liese Kornitzky,
    Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg 1982 , S. 5 .

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    © Dressler Verlag GmbH, Hamburg
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