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Blaubeeren und Vanilleeis

Blaubeeren und Vanilleeis

Titel: Blaubeeren und Vanilleeis
Autoren: Gudrun Helgadottir
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langweilig findet, immer die gleichen Schalen und Teller und Kännchen zu töpfern, aber die verkaufen sich eben am besten. Deshalb hat sie keine andere Wahl. Vildis versteht gut, dass Mama viel lieber Figuren oder andere schöne Dinge töpfern und vielleicht auch mal ausstellen würde, doch dafür hat sie keine Zeit. Tumi sagt, dass bei Ausstellungen sowieso nie etwas verkauft wird.
    Frodi, ein Freund von Mama, hatte mal eine Ausstellung, und es wurde nichts gekauft. Aber der malt ja auch Bilder von Frauen mit Augen, die aus dem Kopf quellen, und mit furchtbar großen Hintern und Pferde mit Kuhschwänzen und geschwollenen Eutern. Wer kauft denn bitte solche Bilder? Etwas so Merkwürdiges würde Mama nie töpfern. Es wäre toll, wenn sie irgendwann einmal eine Ausstellung haben könnte. Das würde Mama sicher glücklich machen.
    Doch im Moment hat Vildis anderes im Kopf. Sie macht sich richtig Sorgen wegen Tumis Hirngespinsten. Diese Sache mit dem Mann, den er für Mama gefunden hat. Begonnen hat alles mit einem Kaffee, den Oma bei Mama in der Küche trank. Irgendwann fing sie an, vom neuen Leiter der Bankfiliale zu erzählen. »So ein charmanter Mann, der Hermann«, sagte sie. Und dann: »Der arme Junge.«
    »Warum der Junge?«, fragte Mama erstaunt. »Ist der Mann nicht schon mindestens dreißig?«
    »Schon, er ist bestimmt Mitte dreißig«, sagte Oma. »Aber er hat seine Frau verloren und jetzt ist er allein mit zwei Kindern. Sie ist im Urlaub in Italien plötzlich krank geworden und noch dort gestorben. Schrecklich. Keine Ahnung, wie er das hinbekommt. So allein mit den Kindern.«
    Vildis sah fassungslos ihre Oma an. Warum redete sie so einen Unsinn? »Mama bekommt das doch auch hin«, sagte sie. »Mit drei Kindern!«
    Jetzt wurde Oma tatsächlich rot.
    »Ja, das stimmt natürlich«, sagte sie fast verschämt.
    Mama warf Vildis einen Blick zu, dabei lächelte sie unmerklich. Vildis wurde warm ums Herz, und sie war froh, etwas gesagt zu haben. Auf einmal hatte sie das Gefühl, als wären sie und Mama Freundinnen, die einander verstanden.
    Tumi saß die ganze Zeit am Computer. Sonst ist er taub und blind für alles andere, wenn er an einem seiner Videospiele sitzt. Zum Beispiel hört er nie das Telefon klingeln, was für alle anderen sehr nervig ist. Diesmal aber stand er auf, setzte sich neben Oma und hörte zu, was sie über diesen frauenlosen Mann zu erzählen hatte. Fragte ihr Löcher in den Bauch. Wo der Mann wohne. Wie alt er sei, ob er ein Auto habe. Oma war glücklich. Wenn Tumi vor dem Bildschirm hängt, hat er so gut wie nie Lust, mit ihr zu sprechen. Und auch Mama – die ihn normalerweise mit Gewalt vom Computer wegholen muss – war ziemlich erstaunt.

    Eines Abends, als Vildis schon im Bett lag, kam auf einmal Tumi in ihr Zimmer und schlüpfte zu ihr unter die Decke.
    »Ich muss dir was erzählen«, sagte er.
    »Mann, ich war schon fast eingeschlafen«, brummte Vildis.
    »Ich habe ihn getroffen«, sagte Tumi. Er zitterte geradezu vor Aufregung.
    »Was? Wen?«, fragte seine Schwester schläfrig.
    »Na, den Mann. Den neuen Chef von der Bank.«
    Vildis sprang auf, als hätte ihr eine Matratzenfeder in den Po gepikst. »Was? Wie? Bist du nicht ganz dicht? Was ist passiert?«
    »Er heißt Hermann«, sagte Tumi. »Das steht an seiner Tür.«
    »Hermann? Na, da kann er ja froh sein, dass er nicht Fraumann heißt«, sagte Vildis. »Aber woher weißt du das überhaupt?«
    »Na, ich bin mit meiner Sparbüchse zur Bank gelaufen. Du weißt schon, die Bank, zu der Oma immer geht«, sagte Tumi stolz. »Oma weiß ja nicht, wie Internetbanking funktioniert. Ich habe mir sogar die Zähne geputzt, bevor ich losgegangen bin. Und mich gekämmt.«
    »Super, so konnte dich natürlich niemand erkennen«, sagte Vildis.
    Tumi grunzte beleidigt, und sie fragte schnell: »Also, was war dann?«
    »Zuerst stand ich nur doof da und keiner wollte was von mir wissen. In der Bank war nichts los. Hinter der Glasscheibe hat sich die eine Frau ihre Nägel lackiert und eine andere hat Scheine gezählt, die Stapel mit Gummis zusammengebunden und in eine Schublade gestopft. Ach ja, und eine alte Frau ist reingekommen und hat gefragt, wann der Bus kommt.«
    »Jaja, ist doch nicht so wichtig. Was ist dann passiert?«, drängte Vildis, die nun hellwach war, doch Tumi ließ sich Zeit.
    »Tja, ich bin zum Schalter gegangen und habe gefragt, ob ich mal mit dem Chef reden kann. ›Mit welchem Chef?‹, wollte die mit dem Nagellack wissen.« Tumi
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