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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman
Autoren: Christian Sidjani
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Marcus und lächelte. Katharina lächelte ihm zurück, ihr offensives Flirten verunsicherte ihn. 
    „Wie heißt du eigentlich?“
    „Blank“, sagte er.
    „Der große Blank“, lachte Karsten und hob sein Glas über die Mitte des Tisches um einen seiner Trinksprüche zu zelebrieren. „Ihr habt gar nichts zu trinken“, sagte er plötzlich, „Ihr braucht was! Ich hol was!“
    Marcus meisterte „Smoke“, wie er ihn immer meisterte, obwohl er diesmal unter erschwerten Bedingungen arbeitete (der Platz war so eng, dass Katharinas Oberschenkel den seinen berührte, und auch die anderen saßen eher neben ihm als gegenüber, aber das schummrige Licht und der reichlich geflossene Alkohol begünstigten den Effekt). Am Ende des Abends, der auch Trini und Frauke lockerte, hatte Marcus Katharinas Nummer und noch das Gefühl ihres Kusses auf seiner Wange, als sich die drei Freunde auf den Weg zum U-Bahnhof machten. Es war glatt. Marcus rutschte aus und fiel sofort, als ihm jemand von hinten in den Rücken trat.
    Ein einzelner Moment kann die Wahrnehmung des Menschen verändern. Soeben noch ist der Empfänger frei zu gehen, wohin er will, frei zu sagen, was er möchte, und im nächsten, wenn die Gewalt herein bricht, konzentrieren sich alle Sinne auf den Aggressor. Diese Unperson absorbiert, so scheint es, jede Freiheit seiner Gegenüber, und erlangt eine Macht, die er verantwortungslos missbraucht. In gewalttätigen Situationen gibt und braucht es keine Verantwortung, hier darf die ungebändigte, raue Kraft des Wilden wüten.
    Marcus lag bäuchlings auf dem Boden, in Schnee und Eismatsch, Kälte und Nässe krochen durch seine Kleidung. Sein Gesicht war über Erde gekratzt, nun hatte er Dreck auf den Lippen und in der Nase. Auf seinem Rücken fühlte er noch den Aufprall des Tritts, als manifestierte der Angreifer sein vergeistigtes Abbild allzu physisch auf ihm.
    „Was soll das, du Penner?!“ rief Frank, der gute Frank, der nie seinen Mund halten konnte, zu viel diskutierte und nicht selten an seinem Gegenüber scheiterte. Er schrie auf, ein Geraschel und Rumpeln, dann fiel er plump zu Boden, gesellte sich nicht weit von Marcus, still.
    Marcus drehte sich um und stützte sich vom Boden ab. Über ihm das wilde Tier, das in seinen Rücken gesprungen war.
    „Du Wichser!“ schrie ihm ein fremder, junger Mann an, kurze blonde Haare, viel zu lange Nase, bohrende Augen. Er holte mit seinem rechten Arm aus und schlug Marcus ins Gesicht. Mit dem Hinterkopf in den Schnee, der seinen Aufprall  dämpfte und dann auf festen Grund weiterleitete. Bumm! Sein Innerstes explodierte unter dem Schlag.
    Betäubt blieb Marcus liegen.
    „Lass die Finger von meiner Freundin, du Arschloch!“ Der fremde, junge Mann setzte sich auf Marcus, die Arme des Opfers unter seinen Knien verschränkt, und knallte ihm Faust um Faust ins Gesicht. Marcus' Welt schüttelte sich von rechts nach links, unter lautem Gebumm. Der fremde, junge Mann hielt erst inne, als jemand schrie: „Norbert! Lass es! Der ist fertig!“
    Marcus hielt die Augen geschlossen, und er dachte nur daran, dass Karsten kein Wort gesagt hatte, während Frank die Zeit über neben ihm gelegen haben musste. Wurde auch er so malträtiert? Marcus schmeckte Blut auf seiner Zunge, auf seiner Lippe. Das Gewicht des Angreifers hob sich von ihm, zwei Tritte in die Seite, ein Knacken.
    Als Marcus die Augen öffnete, sah er den fremden, jungen Mann, der Norbert hieß und soeben Marcus' Abend zerstört hatte, wie er im Begriff zu gehen wieder zu Marcus herab blickte und auf ihn spuckte.
    „Fick dich, du Penner, fick dich und deine Freunde!“ Wieder ein Spucken, ein Rotzen. Wer seine Freunde waren, konnte Marcus nicht sehen. Er ließ sich sinken, tief in die Schwärze der Nacht, die aus den Lichtern des Kiez kroch. Er keuchte, sein Brustkorb war taub, das Gesicht war taub, und kalt, und feucht.
    Hatte er geschrien? Er wusste es nicht. Hatte er sich gewehrt? Versucht zumindest. Alles so schnell, es war so ein aprupter Wechsel des Abends. Die Frage war, was jetzt? Ein Krankenwagen, die Polizei? Marcus fühlte sich zu schwer und unlebendig, sich um irgendwas zu kümmern, aber die Blaulichter kamen schon, jemand hatte sie gerufen.
    Im Krankenwagen stellte er fest, dass er nicht zitterte, dass er auch vorhin wohl nicht gezittert hatte, dass ihm Norbert keine Angst eingejagt hatte, dass er nur auf seine Gelegenheit wartete, bis er zurück schlagen konnte, die sich ihm niemals bot.
    Marcus erinnert sich
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