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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman
Autoren: Christian Sidjani
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den Trick mit der brennenden Karte. Über seinen Schulunterricht, aber vor allem durch englische Serien und Filme (wie gut, dass DVDs zumeist über die originale Tonspur verfügten), hatte er seine sprachlichen Fähigkeiten so sehr verbessert, dass er nun in der Lage war, Damon Blacks Bücher zu lesen.
    Weil Marcus kein zugelassener Zauberer war und somit keinen offiziellen Zugang zu den Magie-Büchern der Profis besaß, behalf er sich mit Downloads aus dem Internet und fühlte sich als Verräter. Während er zwar die Prinzipien der Zauberer vollkommen teilte (verrate keinen Trick!), klaute er ihnen nun Wissen, das er gar nicht verdiente. Seine Neugierde siegte einfach, und die Gewissensbisse besänftigte er mit dem Gedanken, dass er mit jedem Trick, den er aus Damon Blacks „Raw Effect“ lernte, verantwortungsbewusst umgehen würde, also niemanden nichts zu verraten, und vor allem, das neue Wissen nicht für Profit einzusetzen, sondern nur zur Unterhaltung. „Raw Effect“ wurde für Marcus so entscheidend wie für andere eine heilige Schrift.
    Zu lesen, wie der Trick funktionierte, der im Englischen einfach „Smoke“ hieß, war ernüchternd. Wie bei all den anderen Kartentricks, die Marcus bisher gelernt hatte, brauchte er bestimmtes Material, das vorbereitet werden musste und im richtigen Moment zum Einsatz kam, und der Rest bestand aus Ablenken und Verblüffen, einer Folge von Aktionen, während der Zauberer seine Täuschungen mit Reden kaschierte. Das war, was Marcus am Besten konnte, und mochte, sein Gegenüber mit Reden zu vereinnahmen, während niemand mitbekam, was seine Hände taten um den gewünschten Effekt herzustellen.
    Zu seiner eigenen Überraschung funktionierte der Trick mit der brennenden Karte auf Anhieb, zumindest war seine Mutter beeindruckt und bezeichnete diesen Effekt als „das Unerklärlichste, was du je gemacht hast“, auch wenn sie zuerst schockiert war, als ihr Sohn eine Zigarettenschachtel hervor holte und in ihrem Wohnzimmer rauchte.
    „Nur für den Trick, Mama“, versicherte er ihr danach.
    Marcus gewöhnte sich an, immer ein Kartendeck bei sich zu haben, und zu bestimmten Anlässen auch das Material, das er für „Smoke“ benötigte. So auch an jenem Winterabend, als Marcus zwanzig Jahre alt war und die Schule gerade hinter ihm lag.
    Er war in jener Phase seines Lebens, wo er nichts anzufangen wusste, wer er nun sein sollte in einer Welt, die ihm bisher nicht viel Sinn gemacht hatte (arbeiten zu gehen um Geld zu verdienen um was?, eine Wohnung zu haben und ein Auto zu fahren?). Seine Mutter war Krankenschwester, ihre Arbeit machte Sinn, auch wenn es dafür nicht viel Geld gab, was wieder keinen Sinn machte. Sein Vater, ja, was war er eigentlich, früh-pensionierter Soldat, seine Arbeit war so sinnlos wie der Krieg an sich, aber er hatte Geld, anscheinend, auch wenn er selten was von ihm hörte.
    Marcus wollte als Mentalist arbeiten, aber eine Ausbildung zum Zauberer kam ihm nicht in den Sinn (zu teuer, und das meiste aus dem Programm kannte er schon, das meiste andere wollte er gar nicht wissen). Darum wartete er in jenem Winter 2005 darauf, seinen Zivildienst anzutreten, um dann wieder nicht zu wissen, was er tun wollte. Und diese Sinn- und Ziellosigkeit versenkte er in dieser Zeit am liebsten in einem See aus Wodka.
    Marcus war mit Frank und Karsten unterwegs (Henning war mittlerweile im Ausland verschollen, wie sie es nannten), und der Kiez leuchtete so laut und dreckig wie eh und je an diesem Freitagabend. In einer Bar war es Karsten, der drei junge Frauen ansprach und dann auf Marcus zeigte.
    „Hey, setzt euch zu uns. Der da ist Zauberer. Er zeigt euch verdammt gute Tricks.“
    Marcus hielt diese erbärmliche Anmache für so abweisend, dass die drei Frauen sofort gehen mussten, aber die Realität belehrte ihn wieder eines anderen: das blonde Mädchen, die hübscheste, wie Marcus fand, setzte sich sogleich neben ihn und forderte ihre Freundinnen auf, ihr zu folgen. Widerwillig setzten auch sie sich. Und Marcus fühlte sich seltsam berührt von der Vorstellung, sie habe sich neben ihn gesetzt, weil sie ihn attraktiv fand.
    „Dann zeig uns mal, was du kannst. Ich heiße Katharina, das sind Trini und Frauke.“ Sie zeigte auf ihre Freundinnen, die zwischen Karsten und Frank unglücklich wirkten in dieser erzwungenen Vorstellungsrunde.
    Es war nur ihr beider Spiel, Marcus und Katharina, und die restlichen vier am Tisch waren zum Zuschauen verdammt.
    „Also gut“, sagte
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