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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman
Autoren: Christian Sidjani
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Kriminalbeamten.
    „Gibt es was Neues?“ fragt Marcus, nachdem er die dreiseitige Stellungnahme unterschrieb (dass alles der Wahrheit entspricht, was er erzählte).
    „Was meinen Sie damit, Herr Blank?“ fragt Herr Schneider.
    „Wissen Sie, wer es war? Haben Sie ihn?“
    Der Schnauzer schaukelt leicht, vielleicht suggeriert diese Geste ein Nachdenken, aber Marcus glaubt, ein leises Lächeln auf den Lippen seines Gegenüber zu erblicken.
    „Wenn es was Neues gibt, können Sie das in der Zeitung lesen.“ Kein ja, kein nein.
    Marcus verlässt seinen Verhörraum, enttäuscht und wieder allein mit seinen Erinnerungen. Er hoffte, dass er sie auf das Papier bannen kann, wenn er es noch einmal erzählt, dann wären sie weg. Magisch transferiert in Herrn Schneiders Gehör über seinen Arm in den Computer zum Drucker. Weg, einfach weg, für immer, aber sie sind immer noch da. Immer noch da, voll Blut und Fleisch und Innereien. Und dieses Schreien gesellte sich heute morgen dazu, das Schreien und Wimmern der Verletzten.
    Marcus geht vom LKA-Gebäude zum Krankenhaus St. Georg, um Frank zu besuchen. Es ist nicht weit und das Bewegen seiner Beine und Füße vertreibt die düsteren Gedanken, während er sich auf die lärmenden Straßen und die charakterlosen Wohnhäuser konzentriert. Als er das Gelände betritt, führt es ihn instinktiv zum Haus, in dem sein Freund nun liegt. Beate hat es ihm in einer Nachricht geschrieben.
    Sie war nicht mehr zu Hause seit jener Nacht und so sitzt sie auf einem Besucherstuhl, den Kopf auf die rechte Hand gestützt, und döst, als Marcus ihr eine Hand auf die Schulter legt, sanft und mehr zur Beruhigung für sich selbst, als um sie zu wecken.
    Beate öffnet langsam die Augen, benommen, Schatten im Gesicht, aber Freude, als sie ihn erkennt.
    „Ich war nicht zu Hause“, bestätigt sie, „ich warte darauf, dass Frank erwacht.“
    Marcus lächelt schwach und er befürchtet, dass diese Geste bemitleidend wirkt. Doch Beate erwidert sein Lächeln. Ihr Gesicht ist für diese Geste gemacht. Sie lachte viel, wenn er sie früher besuchte. Jene Lebensfreude, die seine eigene Mutter nicht spenden konnte, erfuhr er dort, bei seinem besten Freund zuhause. Darum blieb er so häufig über Nacht, nachdem Karsten und Henning längst gegangen waren.
    Beate erhebt sich langsam aus dem Stuhl, sie reicht Marcus bis zur Brust und er stellt sich vor, sie zu umarmen, sie an sich zu drücken und ihr für den Sohn zu danken, mit dem er seine Jugend überstanden hatte. Das hat er nie und er glaubt, dafür sei die Zeit gekommen.
    „Habe ich dir schon gedankt, Marcus?“ fragt sie plötzlich und das Lächeln weicht nicht aus ihrem Gesicht. Da bemerkt er diese fremde Nuance. Beates Lächeln ist kein unbeschwertes mehr, es trägt Hoffnung in sich, die auf bittere Angst folgte.
    „Wofür willst du mir danken?“ fragt er zurück und berührt sie zaghaft an der Schulter. Diesmal nicht ganz so hilflos, umschließt sie mit der ganzen Hand, doch in den Arm nehmen, das kann er noch immer nicht.
    „Ich habe es gelesen“, sagt sie, „du hast es ja gar nicht erzählt. Was du getan hast für meinen Sohn.“
    Bitte sag nicht, dass ich ein Held bin, denkt er. Doch aus ihrem Mund wird es anders klingen, echter. Sie könnte ihn überzeugen, dass er tatsächlich etwas Großes tat.
    „Ohne dich wäre Frank nicht mehr“, sagt sie und schluckt schwer, wendet ihren Blick zu Boden. Als sie wieder zu ihm aufschaut, ist das Lächeln fort. Es bereitet ihr Mühe und verschwindet sofort bei düsteren Gedanken. Als warte die Schwere stets auf ihren Auftritt, als habe sie alle anderen Gefühle gefressen. Und in diesem Moment, der schon zwei Tage andauert, hat sie das auch. Dann streckt Marcus seine Arme aus und umschließt die kleine Frau, lässt ihre Gefühle an seiner Brust hinaus, zu denen er sich nicht fähig fühlt.
    Wie lange sie dort so stehen, weiß er nicht. Marcus mag diese Nähe zu der Mutter seines besten Freundes, sie ersetzt Franks Präsenz, und gleichzeitig ist es unangenehm, dass sich seine Glieder versteifen und er hinaus will, ins Freie, laufen um des Laufens Willen, wie er es vor ein paar Tagen tat, als er vor Anna davon lief.
    Ein paar Tage ist es her? Und eine Nacht, in der sie wieder zusammen waren. Marcus schiebt seine Fragen, an sich selbst und an Anna, beiseite, um sich auf das Jetzt zu konzentrieren, auf die Frau, die seine Wärme braucht. Als würde er aus einem Traum erwachen, sieht er plötzlich klar den
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