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Blackhearts: Roman (German Edition)

Blackhearts: Roman (German Edition)

Titel: Blackhearts: Roman (German Edition)
Autoren: Chuck Wendig
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der Schlange, in die sich just in diesem Moment ein Mann einreiht. Ein Mann mit einer Ray-Ban-Sonnenbrille. Einem T-Shirt mit V-Ausschnitt. Und dreckiger Khakihose.
    Der Schütze.
    Zweieinhalb Minuten.
    Miriam nimmt eine Bewegung über sich wahr. Eine Krähe in den Deckensparren, die von einem Fuß auf den anderen tritt. Die Krähe hat nur ein Auge. Wo das zweite sein sollte, ist eine zerklüftete, federlose Falte.
    Der Vogel klappert mit dem Schnabel. In ihrem Kopf hört Miriam eine Stimme: Willkommen zurück, Miss Black.
    Sie blinzelt, und der Vogel ist fort.
    Peggy versucht, sie festzuhalten, will sie am Handgelenk packen, aber Miriam hat keine Zeit. Sie stößt die Frau gegen die Kassenschublade zurück, es gibt ein klingelndes Geräusch.
    Miriam hat keine Ahnung, was sie da tut. Sie fühlt sich verloren. Losgelöst. Und doch fühlt sich diese wilde und wacklige Ungewissheit irgendwie heimelig an.
    Sie hastet an der Schlange vorbei nach hinten. Als wäre sie auf Autopilot. Angeschnallt für eine Fahrt, die sie nicht verhindern kann. Peggy schreit sie an. Doch Miriam kann kaum etwas hören.
    Die Anstehenden begaffen sie. Sie weichen vor ihr zurück, als sie an ihnen vorbeikommt. Sie wollen ihren Platz in der Reihe nicht aufgeben, aber sie wollen auch nicht in ihrer Nähe sein.
    Zwei Minuten noch. Vielleicht weniger.
    Sie schleicht sich von hinten an den Schützen heran. Er bewegt sich nicht. Zuckt nicht mit der Wimper. Kümmert sich nicht um sie.
    Peggy steht da und sieht fassungslos zu. Sie ruft nach jemandem, der die Polizei verständigen soll. Murmelt etwas von Körperverletzung. Sie bittet die Kunden um Hilfe. Sie sollen helfen, Miriam mit Gewalt festzuhalten. Niemand bietet sich an. Sie wollen bloß ihren Scheiß kaufen und sich vom Acker machen.
    Ein paar legen ihr Zeug hin und suchen das Weite. Zu heikel für meinen Geschmack, denken sie wahrscheinlich. Miriam denkt an nichts außer den Schützen, die Pistole und den Tod.
    »Sie haben eine Waffe«, sagt sie zu dem Mann vor sich. Ihre Stimme krächzt beim Sprechen, ihre Zunge ist so trocken, dass sie am Gaumen kleben bleibt.
    Der Mann dreht sich halb um und legt den Kopf schief wie ein verwirrter Hund, so als könnte er unmöglich gehört haben, was er gerade gehört hat.
    Vorne im Geschäft sieht Walt sie wieder. Und winkt.
    Miriam winkt zurück.
    Der Mann registriert nun, was sie gesagt hat.
    »Sie wollen, dass ich alle töte?«
    »Wer sind sie ?«
    »Die Stimmen.«
    »Das dürfen Sie nicht«, sagt Miriam, ein leerer Appell. Eineinhalb Minuten noch. Sie weiß, dass betteln nicht helfen wird. Nichts, was sie sagt, wird eine Rolle spielen. Auf diese Weise funktioniert es nicht. Sie kennt die Regeln, seit sie vor über einem Jahr beim Old-Barney-Leuchtturm einem großen Tier aus dem Drogenhandel eine Kugel verpasst hat. »Tun Sie’s nicht. Bitte!«
    Was das Schicksal will, bekommt das Schicksal auch.
    Es sei denn. Es sei denn .
    Es sei denn, sie bezahlt den Preis. Einen Blutpreis. Auge um Auge, Zahn um Zahn, ein Leben für ein anderes. Nur eine solche Handlung würde das Schicksal beeinflussen. Um den Lauf eines reißenden Flusses zu ändern, braucht man einen verdammt großen Stein.
    »Haben die Stimmen Sie auch geschickt?«, fragt er.
    Miriam schüttelt den Kopf. »Nein.« Sie weiß nicht, von wem er spricht, aber sie sieht, wie seine Lippen Worte formen, die er nicht laut ausspricht, sieht, wie seine Finger in der Luft zappeln als wären es die Beine eines umgekippten Käfers, kann den Gestank von Schweiß und Waffenöl riechen. Es ist zu offensichtlich: Der Kerl ist verrückt, irre, ein wahrhaftiger beschissener Geistesgestörter.
    Und ein Geistesgestörter auf einer schrecklichen Mission.
    Bevor sie weiß, was los ist, hat er die Pistole gezogen. Die Glock.
    Seine Hand bewegt sich schnell, er schlägt ihr mit dem Waffengriff auf den Kopf. Sie sieht grellweiße Sterne vor ihren Augen explodieren, während sie zurücktaumelt und aufs Steißbein fällt.
    Die Chance zu tun, was getan werden muss, entgleitet ihr. Sie bleibt benommen auf dem Fußboden sitzen.
    Alles scheint langsamer zu werden. Sie ist ein schwirrender Moskito, der plötzlich in einem Klecks Baumharz gefangen ist.
    Ein Blutrinnsal läuft ihren Nasenflügel hinab.
    Sie schafft es kaum, auf die Füße zu kommen.
    Der Mann hält die Pistole senkrecht in die Luft und feuert.
    Schreie. Bewegung. Chaos.
    Er zielt. Noch ein Schuss. Die Eingangstür geht in Scherben.
    Mit hämmerndem Schädel steht
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