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Blackhearts: Roman (German Edition)

Blackhearts: Roman (German Edition)

Titel: Blackhearts: Roman (German Edition)
Autoren: Chuck Wendig
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EINS

Ship Bottom
    Biep. Sonnenmilch.
    Biep . Sandkekse mit Pekannüssen.
    Biep. Tampons, Strandtuch, Ansichtskarten und – mysteriöserweise – eine Dose grüne Bohnen.
    Miriam fasst jeden Artikel mit einer schwarz behandschuhten Hand an und zieht ihn über den Scanner. Ab und zu guckt sie nach unten und starrt in den blinkenden Laser. Eigentlich sollte sie das nicht machen. Aber sie tut es trotzdem, ein jämmerlicher Akt der Rebellion in ihrem brandneuen Leben. Vielleicht, denkt sie, wird der rubinrote Strahl den Teil ihres Gehirns wegbrennen, der sie zu der macht, die sie ist. Sie in eine vom Hafer gestochene Irre verwandeln, die sich zufrieden in ihrem Plexiglasgehäuse der Unwissenheit verkriechen kann.
    »Miss?«
    Das Wort reißt sie aus ihren Gedanken.
    »Herrgott, was ist?«, fragt sie.
    »Na ja, haben Sie vor, die noch zu scannen?«
    Miriam schaut nach unten. Sieht, dass sie immer noch die Dose grüner Bohnen in der Hand hält. Del Monte. Träge zieht sie in Betracht, der Frau den Schädel einzuschlagen, die da in ihrem sandigen Muumuu steht, einem hawaiianischen Strandkleid, dessen verblasstes Hibiskusblütenmuster kaum den schwammigen Busen bedeckt, der halb hummerrot und halb engerlingweiß ist. Zwei Hälften, getrennt vom Rubikon eines schrecklichen Bikinistreifens.
    Stattdessen zieht Miriam die Dose mit einem zuckersüßen Lächeln über den Scanner.
    B iep .
    »Stimmt irgendwas nicht mit Ihren Händen?«, fragt die Frau. Sie klingt besorgt.
    Miriam wackelt mit einem Finger – ein hüpfender Raupentanz. Das schwarze Leder knarrt und quietscht.
    »Ach, die hier? Die muss ich anziehen. Sie wissen schon, so wie Frauen in Restaurants Haarnetze tragen müssen. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit. Ich muss das befolgen, wenn ich hier arbeiten will. Regeln und Vorschriften. Das Letzte, was ich möchte, ist einen Hepatitisausbruch verursachen, verstehen Sie? Ich habe Hep A, B, C und die ganz besonders schlimme Variante X.«
    Dann, nur um den Witz zu feiern, hält Miriam die Hand zum Abklatschen hoch.
    Die Frau ergreift die Gelegenheit nicht.
    Vielmehr wird sie käseweiß im Gesicht, selbst ihre sonnenverbrannte Haut wird leichenblass.
    Miriam fragt sich, was wohl passieren würde, wenn sie die Wahrheit erzählte: Ach, das ist keine große Sache, aber wenn ich die Leute berühre, läuft dieser übersinnliche Film in meinem Kopf ab und ich erlebe mit, wie und wann sie sterben werden. Deshalb trage ich diese Handschuhe, damit ich so einen verrückten Scheiß nicht länger sehen muss.
    Oder die tiefere Wahrheit, die dahinter liegt: Ich trage sie, weil Louis will, dass ich sie trage.
    Nicht, dass die Handschuhe perfekten Schutz vor den Visionen böten. Aber niemand außer Louis berührte sie irgendwo sonst. Miriam hielt sich bedeckt. Selbst bei dieser Hitze.
    Hinter der Frau hat sich inzwischen eine Schlange von sieben oder acht Menschen gebildet. Sie hören alle, was Miriam sagt. Sie hat nicht gerade leise gesprochen. Zwei der Kunden – ein teigiger Herr in einem mit quietschbunten Papageien bedruckten Hemd und ein junges Mädchenmit schlecht verhüllten Titten, die falsch aussehen, so als habe sie Softbälle unter das Top gestopft – scheren aus der Schlange aus und lassen ihre Waren an der leeren Kasse zwei Reihen weiter zurück.
    Die Frau jedoch bleibt. Mit säuerlicher Miene fördert sie aus dem Nichts eine Kreditkarte zutage – Miriam vermutet, dass sie sie aus ihrer sandverkrusteten Vagina zieht – und wirft sie ihr hin, als wäre sie eine heiße Kartoffel.
    Miriam will sie gerade nehmen und scannen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legt.
    Sie weiß schon, wem die Hand gehört.
    Sie wirbelt zu Peggy herum, der Geschäftsführerin des Ship Bottom Allerlei in Long Beach Island, New Jersey. Peggy, deren Nase mächtige Anziehungskraft besitzen muss, so wie ihr restliches Gesicht sich zu ihr hingezogen fühlt. Peggy, deren riesige Sonnenbrille an die Augen einer Gottesanbeterin erinnert. Peggy mit ihren orange gefärbten grauen Haaren, einem krausen, ungeschickt toupierten Durcheinander.
    Die verdammte Peggy.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu verraten, was Sie da tun?« Auf die Art beginnt Peggy scheinbar jede Unterhaltung. Und das auch noch in ihrem leiernden Akzent, den die Leute hier sprechen. Keine Betonung, nur gedehnte Vokale.
    »Dieser feinen Bürgerin helfen, unser feines Geschäft zu verlassen.« Was Miriam in Gedanken hinzufügt, aber nicht sagt: Das Ship Bottom Allerlei ,
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