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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds
Autoren: Chuck Wendig
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obwohl sie mit Rostflecken übersät ist und ganz schön nach Fischinnereien stinkt.
    »Gehen Sie weg von mir!«, stammelt Louis. »Wer sind Sie? Wer seid ihr alle überhaupt? Ich habe nicht, was Sie wollen!«
    »Das spielt jetzt keine Rolle mehr«, sagt der Mann. Er hat einen Akzent. Schwer erkennbar. Europäisch.
    Der Mann bewegt sich außerordentlich schnell. Er sticht Louis mit dem Messer ins linke Auge. Es dringt nicht bis zum Gehirn ein; es zerstört nur das Auge: eine Entscheidung, die d er haarlose Mann getroffen hat. Louis brüllt. Der Angreifer zieht das Messer zurück. Es macht beim Herausziehen ein saugendes Geräusch.
    Seine dünnen Lippen formen ein freudloses Lächeln.
    Er hält inne. Er bewundert.
    Louis’ verbliebenes Auge huscht plötzlich zu einem Punkt über der Schulter des Mannes.
    »Miriam?«, fragt Louis, aber es ist zu spät. Der Mann sticht noch einmal zu, diesmal direkt durchs rechte Auge, und diesmal bis ganz zum Heft.
    Bis ganz zum Gehirn.
VIER
    Die Eine-Million-Dollar-Frage
    Miriam kann das Geräusch, als das Messer aus dem einen Auge gleitet und dann im anderen versinkt, noch hören. Und ihn, wie er ihren Namen sagt.
    Miriam?
    Der Name springt in ihrem Schädel herum wie ein Querschläger.
    Ihre Hand fühlt sich an, als würde sie einen heißen Ofen berühren. Sie schnappt nach Luft und zuckt zusammen und zieht sie weg.
    Sie knallt mit dem Kopf gegen das Beifahrerfenster. Nicht fest genug, um es zu zerbrechen, aber genug, um Sterne zu sehen. Die nicht angezündete Zigarette fällt aus ihrem Mund und purzelt ihr in den Schoß.
    »Kennst du mich?«, fragt sie, während sie die weißen Flecken wegblinzelt. Natürlich wirkt Louis verwirrt.
    »Ich weiß nicht, ob irgendwer irgendwen kennt«, sagt er.
    »Nein!«, blafft sie scharf, zu scharf, und schüttelt den Kopf. »Ich meine, sind wir uns schon einmal begegnet? Wir kennen uns nicht, oder?«
    Louis’ Hand hängt noch immer dort, wo sie sie ergriffen hat, aber jetzt zieht er sie langsam zurück, als könnte jede schnelle Bewegung ihren Verlust zur Folge haben.
    »Nein. Wir kennen uns nicht.«
    Sie reibt sich die Augen. »Kennst du irgendjemanden, der Miriam heißt?«
    »Ich glaube nicht. Nein.«
    Er beobachtet sie jetzt, als wäre sie eine Klapperschlange. Er hat eine Hand am Lenkrad, die andere hängt frei herunter – nur für den Fall, dass die Klapperschlange beschließt, zuzubeißen, denkt sie. Vermutlich glaubt er, sie ist auf Drogen. Schön wär’s.
    Scheiße. Sie kann eins und eins zusammenzählen. Das hier ist eine schlechte Gleichung. Ihre Eingeweide sind in Aufruhr.
    »Halt den Laster an!«, sagt sie.
    »Was? Den Laster? Nein! Lass mich zu einem ...«
    »Halt den verfluchten Laster an!« Diesmal ist es ein heiserer Schrei. Es soll keiner sein, aber es kommt so raus. Und die Erinnerung daran, wie wenig Kontrolle sie tatsächlich hat, fördert nur das Gefühl, dass sie schwerelos ist, benommen, und gerade in ein gähnendes schwarzes Loch trudelt.
    Louis ist so nett, nicht in die Eisen zu steigen. Er drückt behutsam aufs Bremspedal, ganz langsam. Die Hydraulik jault. Er bringt den Truck auf den Seitenstreifen rüber und lässt ihn ausrollen. Der Motor bleibt an.
    »Okay. Beruhig dich«, sagt er und streckt die Hände aus.
    Miriam beißt auf die Zähne. »Das ist das Schlimmste, was man überhaupt zu jemand sagen kann, der nicht ruhig ist. Das ist bloß Öl ins Feuer, Louis.«
    »Tut mir leid. Ich bin das nicht ... gewohnt.«
    Das? Er meint wohl den Umgang mit einer Verrückten. Was sie vermutlich ist.
    »Ich bin auch nicht gewohnt, so zu sein.« Auch wenn ich besser darin werde , denkt sie. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für verdammtes Jahr . Eines Tages wird es an ihr abprallen.
    »Was ist los?«, fragt er.
    »Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage.«
    »Du kannst es mir sagen.«
    »Kann ich nicht, kann ich wirklich nicht. Du würdest es nicht ...« Sie atmet tief durch. »Ich muss gehen.«
    »Wir sind mitten im Nirgendwo!«
    »Das hier ist Amerika. Nirgendwo ist nirgendwo. Überall ist irgendwo.«
    »Das kann ich nicht zulassen.«
    Sie angelt sich die Zigarette vom Schoß und steckt sie sich mit zitternden Händen hinters Ohr. »Du bist ein sehr netter Mann, Louis. Aber du wirst mich aus diesem Truck steigen lassen, denn du weißt jetzt, dass ich nicht mehr alle Tassen in meinem verdammten Schrank habe. Ich sehe den Ausdruck in deinem Gesicht. Du denkst doch jetzt schon: Sie ist die Mühe nicht wert. Und das bin
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