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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds
Autoren: Chuck Wendig
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machen, ist ihre Sache  –, denke ich, dass ich dir einen feuchten Dreck schulde, Del.«
    »Verdammt!«, sagt er. »Du hörst dir gern beim Reden zu, stimmt’s?«
    »Stimmt.« Das tut sie.
    »Du bist eine Lügnerin. Eine Lügnerin mit einem dreckigen kleinen Mundwerk!«
    »Meine Mutter hat immer gesagt, ich hätte ein Mundwerkwie ein Seemann. Nicht in einem Hey-Kumpel-Sinn, sondern in einem Fick-das-und-Scheiß-auf-jenes-Sinn. Und ja, ich bin eine ziemlich große Lügnerin. Buhu, du hast mich erwischt.«
    Es ist, als wüsste er nicht, was er tun soll. Sie sieht es; sie hat ihn wirklich auf die Palme gebracht. Seine Nasenlöcher weiten sich, als ob er ein Stier kurz vorm Losstürmen wäre.
    »Eine Lady sollte respektvoll sein«, ist alles, was er durch zusammengebissene Zähne hervorquetschen kann. Er wirft das Handtuch in die Ecke.
    Miriam schnaubt verächtlich. »Ich bin sowas von einer Lady. My Fair verfickte Lady .«
    Del holt tief Luft, geht zur Kommode rüber, dann schiebt er sich eine abgeranzte, wertlose Timex übers knochige Handgelenk. Es dauert nicht lang, bis er sieht, was sie neben seiner Uhr für ihn ausgebreitet hat.
    »Was zum ...?«
    Er nimmt den Packen Fotos, hält sie hoch, blättert sie durch. Eine Frau und zwei kleine Mädchen auf einer Spezialfotoserie von Sears. Die Kinder auf dem Spielplatz. Die Frau auf irgendeiner Hochzeit.
    »Die habe ich in deinem Auto gefunden«, erklärt Miriam. »Deine Familie, stimmt’s? Ich fand es irgendwie interessant, dass du eine Prostituierte – äh, vermeintliche Prostituierte – in ein Motelzimmer mitnimmst. Scheint mir nicht das zu sein, was ein guter Ehemann oder Vater tun würde, aber was weiß ich schon? Andererseits ist das vielleicht der Grund, weshalb du sie ganz hinten in deinem Handschuhfach versteckst. Es ist, als trenne euch ein Spiegel – wenn du sie nicht sehen kannst, können sie dich nicht sehen.«
    Del wirbelt auf dem Absatz herum, bleibt auf den Zehen stehen, die Brieftaschenfotos in der zitternden Hand.
    »Wer bist du, darüber zu urteilen?« Er kocht vor Wut.
    Sie winkt ab. »Ach, sei still, ich urteile nicht. Ich warte bloß. Und wo wir schon warten, sollte ich dir wahrscheinlichauch erzählen, dass ich dich jetzt schon seit ein paar Wochen verfolge.«
    Seine Augen verengen sich wieder, und er sieht sie an, als ob er sie vielleicht erkennt oder es zumindest versucht.
    Sie redet weiter. »Ich weiß, dass du Schlampen magst. Professionelle, Nutten, Huren. Alle anderen auch. Du bist der Typ Kerl, der von jeder Pralinenschachtel nascht. Abwechslung ist das Salz des Lebens und so. Das ist schön für dich. Zufällig weiß ich auch, dass du gern, außerhalb gewisser relativ langweiliger sexueller Neigungen, Frauen schlägst. Vier Prostituierte. Zwei mit blauen Augen, eine mit einer Platzwunde am Kinn, die vierte mit einer kaputten Unterlippe ...«
    Del bewegt sich schnell.
    Peng. Eine fest geballte Faust landet auf Miriams rechtem Auge und schleudert sie zurück aufs Bett. Kapillaren platzen. Feuerwerk auf einem schwarzen Hintergrund. Keuchend krabbelt sie rückwärts, denn sie denkt, dass er sich auf sie stürzen und versuchen wird, sie zu prügeln oder zu würgen; aber als sie sich zusammengekauert hat und bereit ist, zu treten, zu beißen oder ihm mit dem Unterarm den Kehlkopf zu brechen, sieht sie, dass er sich keinen Zentimeter bewegt hat.
    Er steht einfach nur da. Zitternd. Wütend, traurig, verwirrt, sie kann es nicht sagen.
    Sie wartet, bis es vorbei ist. Er bewegt sich nicht auf sie zu. Inzwischen sieht er sie nicht einmal mehr an – Del starrt jetzt auf einen Punkt im Nirgendwo tausend Meilen weg von hier.
    Behutsam greift Miriam zum Nachttischchen und dreht den Wecker zu sich, sodass sie die Uhrzeit ablesen kann. Es ist ein Steinzeitwecker, die Sorte mit Ziffertafeln, die umschlagen, als ob die Tante im Fernsehen, die vom Glücksrad, sie herumklappen würde. Immer mit einem Klick.
    »12.40 Uhr«, sagt sie. »Das heißt, du hast drei Minuten.«
    »Drei Minuten?« Seine Augen werden zu Schlitzen, als er versucht zu durchschauen, was sie vorhat.
    »Das ist richtig, Del, drei Minuten. Jetzt ist der Zeitpunkt, dich zu fragen: Gibt es irgendwelche Gedanken, die du teilen willst? Omas Maisbrotrezept? Das Versteck eines vergrabenen Piratenschatzes? Irgendwelche poetischen letzten Worte? Du weißt schon: Entweder die Tapete verschwindet oder ich?« Sie winkt ab. »Ich weiß, ein Oscar-Wilde-Verweis. Das war zu weit hergeholt. Mein
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