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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds
Autoren: Chuck Wendig
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winkt ab. »Alter, den Schlüssel zu meinem Keuschheitsgürtel hab ich schon vor langer Zeit ausrangiert – aufgeschlossen und ab in den Fluss damit, jawohl. Abgesehen davon – nein, Paul, ich habe nicht mit deinem Onkel gefickt. Wir haben nur zusammen getrunken. Bis die Bedienung uns rausgekehrt hat. Und dann ging er seines und ich meines Weges. Ich war mir nicht sicher, ob er mir wirklich glaubte, bis du mich gefunden hast.«
    »Er hat mir, ungefähr einen Monat bevor er starb, davon erzählt«, sagt Paul und fährt sich mit den Fingern durchs ungekämmte Haar. Paul starrt auf irgendeinen Punkt in der Ferne, während er sich erinnert. »Er hat es restlos geglaubt. Ich sagte zu ihm, geh einfach nicht angeln an dem Tag. Und er zuckte die Schultern und sagte bloß, er wolle aber unbedingt angeln gehen, und wenn das die Art sei, wie er sterben solle, dann sollte es eben so sein. Es hat ihm einen Kick gegeben, glaube ich.«
    Paul greift hinüber und schaltet das Gerät ein. Er beobachtet sie aufmerksam. Sucht er nach ihrer Zustimmung? Meint er, sie stürzt sich auf ihn und beißt ihn?
    »Also«, sagt er. »Wie funktioniert es?«
    Miriam holt tief Luft. »Dieses Dingsda, das ich habe?«
    »Ja. Genau. Das.«
    »Nun, Paul, dieses Dingsda ... Es hat Regeln.«
DREI
    Louis
    Langer Highway. Alles andere ist schwarz, weggezogen in die Schatten. Alles, was existiert, ist das, was die Scheinwerfer enthüllen – der leuchtende Mittelstreifen, die Mittelleitplanke, eine Kiefer oder ein Ausfahrtsschild, wenn sie aus der Dunkelheit auftauchen und wieder darin verschwinden.
    Der große Trucker ist so, wie sein Schatten andeutete: Dosenschinkenhände, Schultern wie Granitbrocken, ein Brustkorb wie ein Packen zusammengeschnürter Fässer. Aber er ist glatt rasiert, mit einem weichen Gesicht und freundlichen Augen, die Haare haben die Farbe von Strandsand.
    Vermutlich ein Vergewaltiger, denkt Miriam.
    Das Führerhaus des Lasters ist ebenfalls sauber. Fast schon zu sauber, kein Körnchen Staub oder Straßenschmutz. Ein Kontrollfreak, ein Sauberkeitsfreak, Serienvergewaltiger-trägt-die-Kleider-von-Frauen-Freak, denkt Miriam. Radio und das Funkgerät sind auf einer Chromplatte montiert. Die Sitze sind aus braunem Leder (vermutlich Menschenleder). Ein Paar Würfel – hohles Aluminium, die Augen ausgestanzt – hängt am Rückspiegel und dreht sich träge.
    »Das ganze Leben ist ein Würfelspiel«, sagt sie.
    Frankenstein betrachtet Miriam, als ob sie ihn verwirrt.
    »Wo soll’s hingeh’n?«, fragt er, während er sie mustert.
    »Nirgendwohin«, antwortet sie. »Irgendwohin.«
    »Es ist dir egal?«
    »Völlig. Bring mich nur von diesem Motel und diesen beiden Trotteln weg.«
    »Was ist, wenn ich zu einem anderen Motel unterwegs bin?«
    »Solange es nicht dieses Motel ist, ist alles prima.«
    Frankenstein sieht nachdenklich aus. Seine großen Hände legen sich fest ums Lenkrad. Seine Stirn furcht sich.
    Sie fragt sich, ob er wohl an die Sachen denkt, die er ihr antun wird. Oder was er vielleicht aus ihrem gebleichten Schädel machen wird. Eine Bonbonschale wäre nett, findet sie. Oder eine Lampe. Sie war in Mexiko – wann noch mal, vor zwei Jahren? Während der Feierlichkeiten am Tag der Toten. All die farbenfrohen ofrendas  – die Bananen, das pan-de-muerto -Brot, die Ringelblumen, die Mangos, die roten und gelben Bänder. Aber was wirklich Eindruck bei ihr hinterlassen hatte, waren die Zuckerschädel: gehärtete Baiser-Memento-mori, mit bunten Zuckerstreuseln gesprenkelt, jeder mit weit aufgerissenen Augen und grinsend, glückselig in seinem köstlichen Totsein. Vielleicht ist dieser Typ ja cool genug, um so was mit ihrem Schädel zu machen. Ihn mit Zucker zu lackieren. Lecker.
    »Ich bin Louis«, sagt Frankenstein und unterbricht ihre Fantasien.
    »Alter«, sagt sie. »Ich will mich nicht mit dir anfreunden. Ich will bloß weg.«
    Das wird ihn zum Schweigen bringen , denkt sie. Und das tut es auch.
    Aber es macht ihn auch nachdenklicher. Frankenstein – Louis – nagt an seiner Lippe. Er tippt leicht aufs Lenkrad. Ist er verrückt? Traurig? Bereit, sie vorzeitig zu vergewaltigen? Sie kann es nicht sagen.
    »Na schön!«, platzt sie heraus. »Du willst also reden, fabelhaft. Klar. Ja. Lass uns reden!«
    Er ist überrascht. Er sagt nichts.
    Miriam beschließt, dass sie das Heft in die Hand nehmen muss.
    »Willst du was über das Veilchen wissen?«, fragt sie.
    »Das was?«
    »Den Bluterguss. Das blaue Auge. Du hast es doch
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