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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds
Autoren: Chuck Wendig
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hinzu: »Ich habe nichts dagegen, darüber zu reden. Es ist kein Geheimnis. Es ist nur so, dass niemand zuhört.«
    »Ich höre zu.«
    »Ich weiß. Hast du mir mitgebracht, was ich haben wollte?«
    Er zieht eine zerknitterte braune Tüte heraus und stellt sie mit einem Klonk vor sie hin.
    Sie schnippt mit den Fingern. »Es wird sich nicht von selbst auspacken, oder?«
    Hastig nimmt Paul die Flasche Scotch – Johnny Walker Red Label – aus der Tüte.
    »Für mich?«, fragt sie und winkt ab. »Das wäre doch nicht nötig gewesen.«
    Sie schraubt den Deckel ab und nimmt einen ordentlichen Schluck.
    »Unser Blatt – es heißt Rebel Base – erreicht so zirka hundert Leser oder so. Und bald werden wir im Internet sein!«
    »Willkommen in der Zukunft, was?« Sie fummelt am feuchten Rand der Scotchflasche herum. »Es interessiert mich übrigens nicht wirklich. Ich bin nur froh, wenn ich reden kann. Ich rede gern.«
    »Okay.«
    Sie sitzen da und starren einander an.
    »Interviews hast du ja nicht so gut drauf«, sagt sie.
    »Tut mir leid. Sie sind bloß nicht die, die ich erwartet habe.«
    »Und wen hast du erwartet?«
    Er zögert. Betrachtet sie von oben bis unten. Zuerst fragt sich Miriam, ob er vielleicht scharf auf sie ist, sie vielleicht bespringen will. Aber das ist es nicht. Auf seinem Gesicht liegt derselbe Ausdruck, den man möglicherweise hat, wenn manein zweiköpfiges Lamm bestaunt oder ein Bild der Jungfrau Maria, das sich in eine Scheibe Toast gebrannt hat.
    »Mein Onkel Joe sagt, Sie sind die einzig Wahre«, erklärt er.
    »Dein Onkel Joe. Ich würde ja fragen, wie es ihm geht, aber ...«
    »Es ist gekommen, wie Sie gesagt haben.«
    Miriam ist nicht überrascht.
    »Bisher habe ich mich noch nie geirrt. Fürs Protokoll, ich habe Joe gemocht. Ich habe ihn in einer Kneipe kennengelernt. Ich war betrunken, er rempelte mich an, und ich sah den Schlaganfall, der ihn umbringen würde. Scheiß drauf, dachte ich und hab es ihm erzählt. Jedes Detail – da steckt der Teufel drin, weißt du, genau dort in den verdammten Details. Ich sagte, Joe, du wirst draußen beim Angeln sein. Es wird in einem Jahr von heute an passieren – na ja, eigentlich in 377 Tagen, und ich musste ein bisschen auf einer Serviette herumrechnen, um die Zahl und das Datum rauszukriegen. Ich sagte, du wirst da draußen in deiner Watthose sein, du wirst einen Großen fangen. Nicht den größten Fisch, nicht den besten, aber einen großen. Ich wusste nicht, was für eine Art, weil, scheiße, ich bin kein Fischologe ...«
    »Ich glaube, es heißt Ichthyologe.«
    »Ich bin doch kein Wissenschaftler, und mir liegt auch nichts dran, einer zu werden. Er meinte, es würde wahrscheinlich eine Forelle sein. Eine Regenbogenforelle. Oder ein Forellenbarsch. Er fragte mich, was für einen Köder er an der Schnur hätte, und ich sagte, er sähe aus wie ein glänzender Penny, einer, den ein Zug platt gemacht hat, sodass er ein zerquetschtes Oval ergibt. Er nannte es einen Spinner, sagte, dass er die benutzt, um Forellen zu angeln. Nochmal, ich bin kein Ick... ähh, Ithky... kein Fischologe eben.«
    Sie drückt die Zigarette in den Aschenbecher und zerquetscht sie.
    »Ich sagte, Joe, du wirst da stehen mit diesem Fisch in der Hand, und du wirst lächeln und pfeifen, obwohl niemand in der Nähe ist, und ihn hochhalten, damit Gott und all die andern Fische ihn sehen können, und das ist der Moment, in dem es dich erwischen wird. Ein Blutgerinnsel wird sich lösen und durch deine Arterien schießen wie eine Kugel durch einen gezogenen Lauf. Peng! Direkt ins Gehirn. Du wirst die kognitiven Funktionen verlieren, sagte ich. Du wirst ins Wasser fallen. Niemand wird für dich da sein. Du wirst sterben, und der Fisch schwimmt weiter.«
    Paul ist still. Er kaut mit den zu weißen Zähnen eines Teenagers auf seiner Lippe herum.
    »Genau so haben sie ihn gefunden«, sagt Paul. »Rute in der Hand.«
    Miriam kichert. »Rute in der Hand!«
    Paul blinzelt.
    »Schnallst du es? Rute? In der Hand? Weißt schon, wie sein Schwanz.« Sie winkt ab und nimmt sich noch eine Marlboro raus. »Ach, zum Teufel. Joe hätte es gefallen. Joe wusste eine feine Zweideutigkeit zu schätzen.«
    »Haben Sie mit ihm geschlafen?«, fragt Paul.
    Miriam täuscht Schockiertsein vor. Sie fächelt sich Luft zu wie eine beleidigte Südstaatendebütantin.
    »Aber Paul, was denkst du von mir? Ich bin der Inbegriff der Keuschheit!«
    Er kauft es ihr nicht ab.
    Sie zündet sich die Zigarette an und
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