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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds
Autoren: Chuck Wendig
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kann es schon auf der Zunge schmecken.
    Das Innere der Kneipe sieht aus wie das sündhafte Kind eines Holzfällers und einer Bikerin, das sich aus irgendeinem bejammernswerten Mutterleib herausgewunden hat. Dunkles Holz. Tierköpfe. Chromleisten. Betonboden.
    »Eine Oase«, sagt Miriam laut.
    Es ist nicht viel los. An einem Tisch sitzen ein paar Trucker und spielen um einen schäumenden Bierkrug herum Karten. Im Hintergrund stehen Biker an einem einzelnen Billardtisch. Fliegen umkreisen eine Schweinerei aus alten Käsepommes, die links von der Tür zu einem betonartigen Hügel getrocknet ist. Aus der Jukebox brummt Iron Butterfly. Inna-Gadda-Da-Blah-Blah, Baby.
    Sie sieht den Tresen, dessen Ränder mit schweren Eisenketten verziert sind.
    Er wird ihr Zuhause sein, beschließt sie, bis man sie rauswirft.
    Sie sagt dem Barkeeper, der wie ein Haufen roher Knack-und-Back-Teig aussieht, den jemand in ein dreckiges schwarzes T-Shirt gestopft hat, dass sie einen Drink braucht.
    »Fünfzehn Minuten bis Feierabend«, nuschelt er und fügt dann hinzu: »Kleine.«
    »Schenk dir den ›Kleine‹-Scheiß, Bleichgesicht. Wenn ich nur fünfzehn Minuten habe, dann will ich Whiskey. Deinen billigsten und beschissensten. Denk dir ›Brandbeschleuniger gemixt mit Kojotenpisse‹. Und du kannst mir ein Schnapsglas hinstellen, aber falls du dafür zugänglich bist, dann würd’ ich mir verdammt gern selbst einschenken.«
    Er starrt sie ungezählte Sekunden lang an, dann zuckt er schließlich die Schultern. »Klar. Meinetwegen.«
    Bleichgesicht knallt ihr etwas hin, was vielleicht einmal eine Plastikkanne für Frostschutzmittel gewesen ist, und nach dem Aussehen des trüben Whiskeys darin zu urteilen, wäre Frostschutzmittel möglicherweise die gesündere Wahl.Mit der Hand verscheucht er eine Dunstglocke aus Mücken. Wahrscheinlich werden sie high von den Dämpfen.
    Er schraubt den Deckel ab. Er lehnt sich hustend zurück und reibt sich die Augen. Der Geruch – oder vielmehr die Empfindung – trifft Miriam ein paar Augenblicke später.
    »Es fühlt sich an, als würde mir jemand in die Augen pissen«, sagt sie. »Und die Nase hoch!«
    »’n Kumpel von mir auf der andern Seite der Grenze zu Tennessee macht es. Er benutzt alte Öltonnen statt Eichenfässer. Er nennt es Bourbon, aber ich weiß ja nich’.«
    »Und es ist billig?«
    »Niemand wird es jemals trinken. Die ganze Kanne geht für fünf Mäuse an dich, wenn du sie willst.«
    Es riecht, als würde es Seepocken von einem Schiffsrumpf brennen; Miriam kann sich nicht vorstellen, was es mit ihren Innereien anstellen wird. Sie braucht das. Sie muss sich durchspülen. Sie klatscht einen Fünfer hin und klopft auf die Theke. »Dann brauche ich nur noch das Glas.«
    Bleichgesicht knallt ein Schnapsglas neben den Fünfer und schnappt sich dann mit einer schmierigen Hand das Geld.
    Miriam nimmt die Kanne mit dem Frostschutzmittel und füllt das Glas bis zum Rand. Flüssigkeit läuft auf den Tresen, und sie ist überrascht, dass sie sich nicht durch den Lack frisst.
    Sie starrt in den trüben Whiskey. Teilchen von irgendwas schwimmen auf der Oberfläche. Aber etwas anderes schwebt auch zur Oberfläche: Louis. Sein Gesicht. Zwei zerstörte Augen. Ein Mund, der ihren Namen stöhnt.
    Steh’s einfach durch , sagt sie sich.
    Nichts hiervon ist neu. So ist es jetzt acht Jahre lang gewesen. Überall sieht sie Tod. Jeder stirbt, genau wie jeder scheißt. Dieser Kerl ist nicht anders als alle andern (bis auf , sagt eine kleine Stimme, den Teil, wo man ihm mit einem rostigen Angelmesser in die Augen sticht und er deinen Namen s agt, bevor sein Hirn aufgespießt wird) , weshalb sollte es sie also kümmern? Es kümmert sie nicht (tut es doch) , und um es zu beweisen, trinkt sie den Kurzen. Ein Schluck.
    Das Zeug fühlt sich an wie in Drano getränkte Feuerwerkskörper, die in ihrem Hals und ihrem Bauch losgehen. Sie kann fühlen, wie es anfängt, ihre Leber zur Explosion zu bringen. Es ist das Schlimmste, was sie jemals in den Mund genommen hat.
    Perfekt. Sie gießt sich noch einen ein.
    Bleichgesicht sieht ihr verblüfft zu.
    Sie ballert den zweiten Kurzen runter, und eine schleichende Taubheit macht sich breit. Der Stoff verwischt die Ränder ihrer Sicht. Er nimmt diese schrecklichen Gedanken, die in ihrem Kopf Runden drehen, und schlingt einen Stahldraht um deren Hälse. Er zerrt sie zum Rand eines dreckigen Kinderplanschbeckens. Er drückt ihre Köpfe unter Wasser. Sie strampeln und schlagen um
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