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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds
Autoren: Chuck Wendig
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Kaffeemühle. Sie ist offenbar Raucherin. Miriam fragt sich, ob sie in zwanzig Jahren vielleicht auch so klingt.
    »Wo ist der?«
    »Lo-long Beach Island. An der Nordspitze.«
    »Wie komm ich dahin, und wie lange dauert das etwa?«
    »Sie müssen da lang.« Die Frau weist in die Richtung, aus der sie gekommen ist. »Bis Sie den Garden State Expressway erreichen. Dann weiter in die südliche – nein, nein, die nördliche, die nördliche Richtung, bis sie auf die 72 wechseln können, und die 72 bringt sie nach Osten, über den Damm nach Long Beach Island. Da gibt’s nur – nur eine Hauptstraße auf LBI, also einfach nach Norden fahren, bis Sie den Leuchtturm sehen. Ist vielleicht eine Fahrt von einer Dreiviertelstunde, vielleicht auch eine ganze.«
    »Letzte Frage: Rauchen Sie?«
    Die Frau nickt hastig. Sie zittert.
    »Geben Sie mir Ihre Zigaretten.«
    Die Fahrerin kramt eine Schachtel Virginia Slims aus dem Kartenfach ihrer Tür.
    »Bwäh, die rauchen Sie?«, fragt Miriam und winkt dann ab. »Egal.«
    Miriam nimmt die Schachtel, und ihre Finger berühren ...
    Es ist dreiundzwanzig Jahre später, und die Frau tritt von ihrer Veranda hinab. Sie wirkt wie ein Sack Vogelknochen, und sie geht zittrig die Auffahrt hinab, während ein kalter Wind winzige Schneeflocken in Korkenzieherbahnen um sie herumwirbelt. Die Frau geht zum Briefkasten, holt die Post heraus und tritt dann auf ein schuhgroßes Stück von schwarzem Eis. Ihr Bein wird hochgeschleudert, ihr Kopf trifft den Briefkasten, und da liegt sie. Stunden vergehen. Der Abend kommt. Schnee sammelt sich auf ihrem Gesicht, aber noch ist sie nicht tot, sondern sie schafft es, eine schmale, kleine Zigarette aus ihrem pinkfarbenen Bademantel zu ziehen und sie anzuzünden, bevor sie den langsamen zerrenden Fingern des Erfrierens unterliegt.
    ... die Finger der Frau, als das Päckchen die Besitzerin wechselt.
    Miriam blinzelt. Dann schüttelt sie es ab, schaltet mit dem Daumen den Zigarettenanzünder an, lässt ihn warm werden und steckt sich eine dieser Zigaretten, die dünn wie Pfeifenreiniger sind, in den Mund.
    »Und jetzt«, nuschelt Miriam um die nicht angezündete Zigarette herum. »Raus aus diesem verdammten Auto, bevor ich Ihnen mit der Pistole eine reinhaue und all diese zerbrechlichen kleinen Knochen in Ihrem Ohr zerschlage. Ach, und Sie sollten nicht aufhören zu rauchen. Das ist gut für Sie.«
    Die Lady reißt die Tür auf und springt eilig aus dem Auto wie eine Katze, die man mit dem Luftgewehr in den Hintern geschossen hat.
    Miriam zündet ihre Zigarette an, rutscht auf den Fahrersitz und legt den Gang des Subarus ein.
    Ihre Lungen füllen sich mit magischem Nikotin. Ihr Fuß tritt aufs Gaspedal.
    Geschwindigkeit. Oh süße Geschwindigkeit.
ACHTUNDDREISSIG
    Die dritte und letzte Stunde
    Keine Bewegung.
    Verficktes, toter-Fisch-liegt-mit-dem-Bauch-nach-oben-im-Wasser-Fehlen von Bewegung.
    Miriam ist mit Bleifuß gefahren. Dann erreichte sie die Küstenstraße auf dem Damm nach Barnegat Bay, und der Verkehr wurde dichter als eine Handvoll Tampons, die man einer Nonne in den Hintern geschoben hat.
    Jetzt steht Stoßstange an Stoßstange. Kajaks und Bootsanhänger und blasse Yuppies und Kids, die Spongebob Schwammkopf auf kleinen Displays in den Rückseiten der Fahrersitze anschauen. Selbst so spät am Tag wollen die Leute verzweifelt ein Stück Strand, eine Handvoll Sand und die Gischt in der Nase haben (wobei die nach verrotteten Seesternen und Schnecken riecht und im Sand tausende alter Einwegspritzen und klumpige, festgebackene Kondome herumliegen). Die Sonne ist nur ein schmieriger Fleck hinter dunklen Wolken, die über der Insel hängen. Es ist, als würde eine Masse von Touristen einer Sekten-Entrückung in die Seligkeit entgegentaumeln.
    Miriam lehnt sich auf die Hupe.
    Die letzte Zigarette aus der Schachtel ist bis auf den Filter geraucht. Sie beißt die Zähne zusammen und wirft die Kippeaus dem Fenster, wo sie aufs Dach des silbernen Minivans neben ihr prallt.
    Die Mutter im Beifahrersitz – ein fettes Nilpferd, das schon so übel sonnenverbrannt ist, dass es aussieht, als wäre sie vierzig Tage und vierzig Nächte durch die Wüste gelaufen wie Jesus selbst – schießt einen säuerlichen Blick zu ihr herüber.
    Miriam denkt daran, zurückzuschießen – ein paar Kugeln aus der Pistole vielleicht.
    Wieder rammt Miriam ihren Ellbogen auf die Hupe. Sie fühlt sich klaustrophobisch. Jetzt geht’s ans Eingemachte. Sie sitzt schon viel zu lange
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