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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds
Autoren: Chuck Wendig
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schaffen.
    »Warum sollte ich dich töten?«, fragt er laut. »Du bist bedeutungslos für mich. Aber du hast mein Gesicht gesehen.Und meine neue Angestellte Miriam hat dich schrecklich gern, das kann ich nicht erlauben. Du würdest sie immer ablenken. Sie gehört mir, mein Freund. Nicht dir.«
    Seine vergilbten Finger spielen mit dem Messer. »Da ist noch etwas. Es macht mir Freude, dir Schmerzen zu bereiten, und mir gefällt die Tatsache, dass Miriam bereits gesehen hat, wie diese Szene hier abläuft, oder nicht?«
    Ingersoll bewundert das Messer. Er schnuppert an der fleckigen, rostigen Klinge.
    »Lassen Sie mich in Ruhe«, stammelt Louis. »Wer sind Sie? Wer seid ihr alle überhaupt? Ich habe nicht, was Sie wollen!«
    »Das spielt keine Rolle mehr«, sagt Ingersoll und zuckt mit den Achseln.
    Er bewegt sich schnell – wie eine gestauchte Feder, die sich plötzlich dehnt. Er sticht Louis mit dem Messer ins linke Auge. Es geht nicht bis zum Gehirn und zerstört nur das Auge, eine Entscheidung, die der glatzköpfige Mann getroffen hat. Louis schreit auf. Der Angreifer zieht das Messer zurück. Es macht ein schmatzendes Geräusch, als er es herauszieht.
    Seine dünnen Lippen formen sich zu einem kalten Lächeln.
    Der Barnegat-Leuchtturm hat 217 Stufen.
    Jede bedeutet Schmerz. Jede eine Risikogeburt, ein ausgeschiedener Nierenstein, der Biss einer Schwarzen Witwe.
    Die Stufen bestehen aus geriffeltem Stahl, dessen gelber Anstrich abblättert. Sie winden sich in einer engen Spirale einen Tunnel aus schwarzen Ziegeln hinauf.
    Es ist, als klettere man durch den Schlund eines urzeitlichen Monsters.
    Was Miriam dort oben zu sehen bekommt, spielt sich in ihrem Kopf wieder und wieder ab wie ein YouTube-Video, das man immer wieder anklickt. Das zerbrochene Fenster. Der Wind, der durchs Loch pfeift. Das verrostete Messer. DerKlang eines Auges, das zerstört wird. Ihr Name, den Louis sowohl überrascht als auch traurig ausspricht.
    Wieder und wieder. Eine endlose Spirale von Stufen und Visionen.
    Draußen donnert es wieder. Der Klang wird durch die Ziegelmauer gedämpft. Sie fragt sich: Bin ich zu spät? Ist das der Donner aus meiner Vision? Wenn sie eine Vision real erlebt, dann achtet sie besonders auf diese Hinweise: visuell, auditiv, wie auch immer. Ein Autohupen. Ein Werbefilm im Fernsehen. Etwas, das jemand sagt.
    Als sie endlich oben ankommt, als sie endlich ins Lampenhaus stolpert, um dieses schreckliche Stillleben zu sehen, dieses Schuhkarton-Diorama des Todes, erwartet sie es nicht. Es überrascht sie und nimmt ihr den Atem, obwohl sie fühlt, dass ihr ganzes Leben nur auf diesen Augenblick zustürzte wie in ein Schwarzes Loch.
    Ingersoll hört sie nicht, aber als sie heraufkommt, schenkt er ihr kaum mehr als nur einen Blick aus dem Augenwinkel und die Andeutung eines bewundernden Lächelns.
    Als Miriam ins Lampenhaus tritt, ist die Messerspitze bereits in Louis’ linkem Auge. Es ist noch nicht bis zum Heft drin. Noch nicht. Das wäre ein tödlicher Stoß. Der kommt später.
    Es ist gut, dass sie hier ist, denkt er. So kann sie es sehen. Sie wird den Beweis haben. Jetzt fällt ihm ein, dass er sie die ganze Zeit hätte hier haben sollen, als Zeugin für seine Herrlichkeit und seine Grausamkeit.
    Louis sieht sie mit seinem gesunden Auge.
    Perfekt.
    »Miriam?«, fragt er, aber Ingersoll hat das Messer bereits im Anschlag und sticht es durch das zweite Auge des Truckers und ins Gehirn.
    Es passiert alles so schnell. Nach allem, was hinter ihnen liegt, sollte es eigentlich langsam ablaufen, in Zeitlupe.
    Die Dinge scheinen nicht richtig.
    Die Pistole in ihrer Hand fühlt sich heiß an.
    Sie riecht etwas Bitteres, Stechendes. Rauch kräuselt sich vor ihren Augen.
    Ingersoll hält das Messer fest umklammert. Seine Hand beginnt zu zittern.
    Er dreht sich um und greift sich an das Loch in seiner Schläfe. Ein dünner Blutfaden tropft aus der Eintrittswunde, wie rostiges Wasser aus einem kaputten Wasserhahn.
    Louis blinzelt mit seinem gesunden Auge.
    Er ist nicht tot , denkt Miriam.
    So ist das in ihrer Vision nicht passiert. So sollte das alles nicht enden. Ihr Herz setzt einen Schlag lang aus. Ihr ist schlecht. Schwindlig. Übel. Schmierig.
    Die Pistole hat sie in der Hand. Ihr Arm ist ausgestreckt.
    Sie lässt die Waffe fallen, scheppernd landet sie auf dem Boden.
    »Ich ...«, fängt sie an, aber ihr fehlen ehrlich die Worte.
    Ingersoll schwankt.
    Und dann stürzt er wie ein Tiger auf sie zu, das Messer in der Hand.
    Er
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