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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden?
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Erstes Kapitel
    Die Kastanienbäume am Monte rosso, dessen bewaldete Höhe weithin auf die blauen Fluten des Lago Maggiore niederschaut, waren neu belaubt und geheimnisvoll flüsterten alle die Blätter oben in den Wipfeln, die der leichte Morgenwind durchzog. Am Höhenzug drüben über dem Flusse, wo hoch oben die weißen Dörfchen leuchten, jedes von seiner weit ausschauenden Kirche überragt, fingen die Glocken, eine nach der anderen, in melodischer Weise zu läuten an. An die graue Steinmauer gelehnt, aus dessen Ritzen überall rote, blaue, und golden leuchtende Blümchen herausquollen, stand ein kleines Mädchen und lauschte dem lieblichen Glockenspiele, das bald lauter, bald leiser vom Winde herübergetragen wurde. Ein Körbchen voll der schönsten Rosen stand auf der Mauer neben dem Kinde. Lichthell und wieder dunkel glühend schauten die Blumen aus den grünen Blättern heraus und süßer Duft entströmte den vollen Kelchen und erfüllte die Luft. Eine gute Weile hatte das Kind regungslos dagestanden, den immer noch fortklingenden Melodien lauschend. Jetzt schrak es zusammen: Auf dem schmalen Fußpfad, der von Cavandone heraufsteigt, war mit leisem Schritt eine Frauengestalt herangekommen und stand nun plötzlich vor dem überraschten Kinde. Die hochgewachsene junge Dame legte ihre Hand auf des Kindes Schulter und sagte in freundlichster Weise: »Erschrick nicht vor mir, liebes Kind, ich will mich ein wenig hier zu dir setzen. Sind die schönen Rosen aus deinem Garten?«
    Sie hatte italienisch gesprochen, in der Sprache des Landes, doch mußte ihr diese nicht sehr geläufig sein. Das Kind hatte augenblicklich die fremdartige Betonung erkannt. Unverzüglich kam die Antwort: »Ja, sie sind aus dem Garten und es sind noch viele Rosen da. Aber ich kann auch ganz gut deutsch reden, wenn Sie wollen.«
    »Wirklich?« gab die junge Dame lächelnd zurück, »dann wollen wir deutsch reden. Bist du denn keine Italienerin?«
    »Nein, ich gehöre dem deutschen Maler und daheim sprechen wir immer deutsch«, berichtete das Kind.
    »So ist deine Mutter auch eine Deutsche? Ein ganzes deutsches Haus mitten im italienischen Land?« meinte verwundert das Fräulein.
    »Meine Mutter spricht auch deutsch, aber sie ist aus der Schweiz, das ist viel näher als das Land, wo der Vater her ist«, war die eingehende Antwort.
    Die Art des Kindes mußte der jungen Dame wohlgefallen. Sie blickte liebevoll in die lichtbraunen Augen, die zu ihr aufschauten, und streichelte das krause, dunkle Haar, das um des Kindes Stirne spielte. »Komm, setz dich hier neben mich auf die Mauer«, sagte sie, »dann wollen wir noch ein wenig plaudern zusammen. Wohin willst du den Korb voll Rosen tragen? O, wie sie duften und leuchten, wenn der Sonnenstrahl darauf fällt!«
    Das Kind nahm die zwei schönsten der Rosen und hielt sie dem Fräulein hin: »Wollen Sie die zwei nehmen?« sagte es zutraulich. »Aber der Korb ist nicht voll Rosen, die liegen nur oben auf und drunter kommt etwas zu essen, das muß ich der alten Maja bringen. Das ist unsere Nachbarin; aber jetzt ist sie dort oben bei ihrer Tochter; sehn Sie, dort weit oben in dem Häuschen unter den Bäumen? Sie ist krank und die alte Maja mußte hinauf, um sie zu pflegen. Nun muß ich der Kranken etwas von unserm Sonntagsessen bringen, und die Mutter sagt, der alten Maja tue es auch gut, etwas Kräftiges zu essen, wenn sie so schwere Pflege hat an der Kranken und noch an den kleinen Kindern. Und die Rosen sind für die Krankeauf das Bett zu legen, die Mutter sagt, Kranke sehen so gern frische Blumen.«
    »O ja, das tun sie«, sagte das Fräulein, den Duft der Rosen tief einatmend, »und weil du noch viele von den Blumen hast und ich auch eine Kranke bin, so will ich diese zwei gerne nehmen; vielleicht kann ich dir auch einmal etwas schenken.«
    Das Kind schaute voller Teilnahme zu der jungen Dame auf. Es konnte wohl sehen, wie blaß ihre Wangen und Lippen waren und so schmal und schneeweiß war die Hand, welche die Rosen festhielt, als wäre kein Tropfen Blut darin. Auch hatte das Fräulein beim Herankommen so schwer geatmet; erst jetzt fiel es dem Kinde wieder ein, wie es darüber erschrocken war.
    »O, das ist so traurig«, sagte es seufzend und mit so herzlicher Teilnahme zu der jungen Dame aufschauend, daß diese des Kindes Hand erfaßte und sie zärtlich festhielt.»Du liebes Kind«, sagte sie, nachdem sie es eine Weile liebevoll betrachtet hatte, »ich möchte so gern dich wiedersehen. Wo wohnst
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