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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus
Autoren: Simone Felice
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abgefahren waren. Sie schrie. Sie brannte. Und ich hab ihr nicht geholfen.«
    Rohrkolben klopfen gegeneinander, Herbstlaub fällt von den Bäumen. Instinktiv rückt Gloria näher an ihn heran und berührt mit ihren Lippen seinen Nacken. »Du hattest einfach Angst.«
    Er kann sie riechen. Das Shampoo, das sie vor einigen Tagen benutzt hat – kaum noch wahrnehmbar, trotzdem betörend. Ihr Schweiß – ein Hauch von Rosen und Mandarinen. Dann ist sein Mund auf ihrem. Sein warmes, feuchtes Gesicht. Dann ihre Hände auf seinen Schläfen. Und ihr Rücken auf dem Boden, die wilden, dunklen Haare aufgelöst im kalten Gras. Ihre Finger unter seinem Hemd, sein schwer atmender Brustkorb heiß bei der Berührung.
    »Nimm die Brille ab.«
    »Nein.«
    »Darf ich?«
    »Wenn du’s wirklich willst.«
    »Danke.«
    Das schwarze Stück Plastik fällt zu Boden. Ihr feuchter Kuss auf seiner Nasenwurzel wie eine Morphiumspritze. Ihre Hand in seinen Jeans. Er kann das Feuer in ihren grünen Augen nicht sehen, weiß aber, dass sie unvorstellbar schön sind. Dann wieder ihre Lippen. Und der Gürtel ihrer Hose. Der warme Geruch ihres Bauches. Mandarine. Das Geräusch, wie sie ihre engen Hosen abstreift und auf die toten Blätter fallen lässt.
    Einmal zuvor hat er es gemacht. Betrunken. Mit einer chinesischen Nutte in der Nähe des Ausbildungslagers. In einer Welt, die längst nicht mehr existiert. Glorias Atem nun in seinem Ohr, direkt an seinem Trommelfell. Trommeln, um in den Krieg zu ziehen. Trommeln, um die Nacht zum Tage zu machen. Trommeln, um in einem Regen zu tanzen, der seine ganze Vergangenheit wegspülen wird.
    Tage ohne Grenzen. Blasse Sünder auf den bunten Blättern. Beide seit neunzehn Jahren auf dieser Erde. Wo alles passieren kann. Wo die Rohrkolben gegeneinanderschlagen, während der Teich so glatt wie Glas daliegt.
    »Mike London hier, Ihr Lieblings-DJ, mit dem Wetterbericht zur Mittagspause. Ein Tiefdruckgebiet bewegt sich über den Hudson River in die südlichen Catskills und treibt eine starke Wolkendecke in unsere Region. Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt 80 Prozent für den Nachmittag, während sich in den Abendstunden der Himmel wieder aufklaren sollte. Höchsttemperaturen um die zehn Grad. Und ein kleines Geständnis am Rande: Seit die Katze meiner Frau über meine CD-Sammlung pinkelte und alle Alben mit ›E‹ erwischte, leide ich unter empfindlichen Eurythmics-Entzugserscheinungen. Ich wollte gerade schon ›Here Comes The Rain Again‹ auflegen, hatte dann aber doch meine Zweifel – man will den Teufel ja nicht an die Wand malen. Hier sind sie aber trotzdem, Annie Lennox und dieser andere Bursche, mit ihrem ’83er-Hit ›Sweet Dreams‹.«
    »Mach lauter«, schreit Debbie, die eine Wollmütze mit einem mehrfarbigen Puschel trägt. »Ich steh auf diese rothaarige Tussi.«
    »Stets zu Diensten«, sagt Bea Two-Feathers. In einem Daunenmantel mit Schal und Handschuhen warm verpackt, sitzt sie auf Lionels altem Schaukelstuhl und streckt ihre Hand zum Ghettoblaster, um den Lautstärkeregler nach oben zu schieben.
    Sweet dreams are made of this, who am I to disagree? Travel the world and the seven seas, everybody’s lookin’ for something.
    »Und ich weiß auch ganz genau, wonach ich suche«, sagt Joe, greift sich Debbie an ihrer voluminösen Hüfte und gibt seinen besten Patrick Swayze. »Alles, was ich zum Leben brauche, hab ich hier gefunden, in Gay Paris, im guten, alten Dairy Queen.« Und schwungvoll dreht er die füllige Frau um ihre eigene Achse. »Juchhe! Hab ich nicht recht, Püppchen? Der Abfall des Einen ist der Glücksfall des Anderen.«
    »Scheiße, mir musst du das nun wirklich nicht erzählen. Ich hab schon ’ne Skijacke und ’ne Dartscheibe verkauft, und den Heimtrainer von der Frau, die neulich starb, noch dazu. Und das alles an einem Vormittag! Ich bin so heiß, dass ich schwitze wie ’ne Nutte in der Kirche.«
    »Besser kann man’s nicht sagen«, sagt Joe euphorisiert, während auf der Straße ein Sattelschlepper mit einem Fertighaus, noch in Plastik verpackt, vorbeirumpelt – auf dem Weg, einen anderen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.
    Und hier kommen auch schon Lionel und Gloria, ihre Helme in der Sonne blitzend, und rollen auf dem altersschwachen Moped auf den Parkplatz des Dairy Queen.
    »Ihr zwei Hübschen kommt gerade noch rechtzeitig«, ruft eine tanzende Debbie. »Das Radio sagt gerade, dass es bald in Strömen regnen wird.« Und dann schaut sie wieder Joe in seine dunklen
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