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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus
Autoren: Simone Felice
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Akustiksensoren habe«, strahlt der Heimleiter. Er klatscht zweimal in die Hände, und im Zimmer wird es dunkel. Sie kann ihn riechen. Ihre Körper sind sich zum Greifen nah. »Wie gut, dass ich Sensoren habe«, sagt er noch mal und lacht. Im Dunkeln klingt sein Lachen wie eine tote Katze im Sack.
    Sie knipst das Feuerzeug an, sieht im Lichtschimmer die Schachtel, nimmt den Kuchen heraus, stellt ihn vor dem Heimleiter auf den Tisch, steckt die beiden Kerzen hinein und zündet sie an.
    »Eine für die Schöne, die andere für das Biest. Und nun: Sesam, öffne dich«, sagt die Stripperin zu dem Fiesling, drückt ihm – wie eine Krankenschwester bei einem grippekranken Kind – seinen Mund auf und schiebt den Kuchen Stück für Stück hinein. Er kaut und würgt und geifert und greift gleichzeitig an ihre Titten, doch sie macht einen Schritt zurück, hebt den Finger und sagt: »Nein, nein, nein. An mir darfst du erst knabbern, wenn wir unser Leckerli ganz aufgegessen haben.«
    Als sie ihm die gesamte Glasur reingewürgt hat, steht sie von seinem verkrümmelten Schoß auf und steigt auf den Schreibtisch.
    Und tanzt im Licht der flackernden Kerzen.
    Und entledigt sich ihres Hutes.
    Dann nacheinander ihrer langschaftigen Stiefel.
    Das rote Dessous sinkt zu Boden wie eine von Gott verlassene Kreatur.
    Feuchte Lippen.
    Aufreizend langsamer Reißverschluss.
    So selbstverständlich wie Fahrradfahren.
    Bis sich der Raum zu drehen beginnt.
    Bis alle Bewegungen ihre Bedeutung verlieren.
    Und die Rolle mit dem Fliegenpapier kreiselt unfassbar langsam im Dunkel.
    Bea starrt aus dem Fenster und raucht eine ihrer endlos langen Zigaretten. Mit einem Ellbogen stützt sie sich auf den Fensterrahmen, die verwelkten Brüste formlos in ihrem Nachthemd. Die untergehende Sonne zaubert einen rosaroten Schleier auf den Rasen, auf die Sträucher, selbst auf den fernen Wald, der mit dem Horizont zu verschmelzen scheint.
    Wow, die Tage werden kürzer, denkt sich die Gefangene. Und meine sind gezählt. Wirst du das Kreuzworträtsel noch zu Ende bringen? Lohnt es sich noch, die Coupons auszuschneiden? Hast du Angst vorm Sterben? Lass dich nicht unterkriegen. Lass dich nicht fertigmachen. Vielleicht ist der Tod ja nichts anderes als ein neues Kleid.
    Es klopft an der Tür. Aber heute hat es Bea Two-Feathers mit dem Aufmachen nicht eilig. Sie zieht noch einmal an der Zigarette und folgt mit ihren Augen den blinzelnden Sonnenstrahlen, den Vögeln in der herbstlichen Luft. Dann dreht sie sich um und blickt zur Tür. Mehrfaches Klopfen, diesmal lauter als zuvor. Die Tage, an denen sie nun hektisch die Kippen versteckte und das Pfirsichspray rausholte, sind unwiderruflich vorbei. Was kann ihr schon noch passieren? Mit der Zigarette zwischen den Fingern geht Bea zur Tür, dreht den Knopf und ist auf jeden Besucher vorbereitet.
    »Oh, wie schön, du bist’s. Ich dachte schon, es sei wieder der Nazi.«
    »Um den würd ich mir keine Gedanken mehr machen«, sagt Gloria, noch immer außer Atem von den Treppen, der schlechten Luft im Flur und der ganzen haarsträubenden Episode, die hier gerade abläuft.
    »Ich hatte gehofft, dass du noch mal vorbeikommen würdest. Aber warum hast du dich so als Flittchen rausgeputzt? Haben wir etwa schon Halloween? Weißt du, dass ich früher einmal genau so einen Hut hatte?«
    »Bea?«
    »Was ist?«
    »Ich bin hier, um Sie aus Ihrem Gefängnis zu holen.«
    Worauf die alte Frau lächelt, langsam nickt und einen letzten Zug von der Zigarette nimmt. Dann bläst sie den Rauch aus und sagt: »Ganz wie in Papillon .«
    »Bea?«, sagt Gloria und steht noch immer in ihrem großen weißen Pelzmantel und den schwarzen Stöckelschuhen in der Tür.
    »Ja, mein Engel?«
    »Wir müssen uns beeilen.«
    »Verstanden. Aber ich muss mich schnell noch ein wenig aufputzen. Es passiert ja nicht jeden Tag, dass man aus dem Gefängnis befreit wird.«
    »Okay, aber beeilen Sie sich.«
    »Ich wusste es schon in dem Moment, als ich dich zum ersten Mal sah«, sagt Bea und kramt in ihrem Kleiderschrank, holt eine gelbe Bluse heraus, die sie dann aber achtlos auf den Boden wirft. »Als du hier rausgingst und diesen armen Soldaten bei der Hand nahmst, da wusste ich, dass dieses Mädchen etwas Besonderes ist.«
    Mit laufendem Motor wartet Debbies Kombi vor dem gläsernen Eingangsbereich, als Gloria durch die Tür kommt und Bea hinter sich herzieht. Die Blätter fallen. Die Dämmerung naht. Das Gesicht der alten Frau ist auf wundervolle Weise gelöst und
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