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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus
Autoren: Simone Felice
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Großküchenherdes und stellt den Topf darauf. Aus ihrer Einkaufstüte zieht sie einen Beutel Puderzucker, öffnet ihn mit den Zähnen und gibt die Hälfte der Packung in die kochende Milch. Sie fügt einen Schuss Orangensaft aus dem Kühlschrank hinzu und rührt den Inhalt mit einem Schneebesen, den sie in einer der versifften Schubladen gefunden hat.
    Als die Flüssigkeit sämiger wird, reduziert sie die Hitze und geht in die Eingangshalle des Dairy Queen, wo ihre muffige Couch auf dem alten Linoleumboden steht. Sie bückt sich, hebt die karierten Kissen unter ihrer Heizdecke hoch, sucht nach irgendetwas und fischt schließlich die Dose OxyContin heraus, die sie von dem Gefreiten Lionel White, US-Marine, konfisziert hat.
    Auf dem Rückweg hält sie an der verblassten roten Milchflaschenkiste an, die sie inmitten des wuchernden Trödel-Wahnsinns entdeckt hat, der diese gepflegte Oase sommerlicher Freuden inzwischen restlos überwuchert hat. Sie kniet nieder und greift sich den rostigen Hammer, den sie schon den ganzen Tag beäugt hat – und stellt zu ihrer Überraschung fest, dass ihr schlimmes Bein selbst in dieser ungewohnten Position weniger schmerzt als zu jedem Zeitpunkt, seit sie Los Angeles verlassen hat.
    Zurück in der Küche, breitet sie eine New York Post auf der Anrichte aus. Führende Militärexperten betonen, dass die Truppenaufstockung zu positiven Resultaten geführt hat … Der verstümmelte Körper einer Prostituierten wurde in einer Einkaufstasche entdeckt, die direkt neben der Galleria Mall in Poughkeepsie abgestellt war. Es ist bereits der dritte Mordfall dieser Art in diesem Jahr … waren Schmerzmittel für Michael Jacksons Tod verantwortlich? Sein Arzt sagt vor Untersuchungsausschuss aus. King of Pop oder Wacko Jacko? Beteiligen Sie sich an der Onlineumfrage auf unserer Website.
    Gloria öffnet die Dose und schüttet den Inhalt auf die Zeitung – immer noch mehr als ein Dutzend dicker, fetter Pillen. Sie wirft die Dose in den Abfall und faltet die New York Post so sorgsam über den Tabletten zusammen, als wolle sie für ein Kind ein Papierboot basteln, das in der Badewanne auf Jungfernfahrt geht.
    Nachdem alles säuberlich vorbereitet ist, greift sie zum Hammer und beginnt, mit aller Gewalt auf die Zeitung einzuschlagen. Zum Glück ist Debbie gerade dabei, einem mexikanischen Ehepaar einen alten Videorekorder aufzuschwatzen, weil sie sonst mit Sicherheit in die Küche gerannt wäre, um der Ursache des Lärms auf den Grund zu gehen.
    Als sie den Hammer zur Seite legt und das Zeitungspapier aufschlägt, findet Gloria genau das, was sie sich erhofft hat: ein feines, weißes Pulver, das dort strahlend auf dem bedruckten Papier liegt – genug, um ein Pferd ins Land der Träume zu schicken.
    Sie geht wieder zum Herd, dreht das Gas ab, faltet die Zeitung in der Mitte, schüttet das Pulver vorsichtig in die köchelnde Masse und rührt so lange, bis die Glasur fest wird.
    Zu Fuß macht sich nun die Tänzerin, die wir Gloria nennen, auf den Weg zum Serenity Grove. Zuvor hatte sie Debbie mit der Frage überrascht, ob sie sich vielleicht ein paar Kleidungsstücke ausborgen könne, die sie auf den unzähligen Kleiderständern des Flohmarkts entdeckt hatte: ein langer Pelzmantel aus Hasen-Imitat. Eine schwarze Melone mit Feder. Ein ramponiertes Paar schwarzer Stilettostiefel. Blutrote Reizwäsche . Dann hatte sie Debbie und Lionel mit einer mysteriösen Ansage überrascht: »Trefft mich im Serenity Grove in genau einer Stunde und fünfzehn Minuten – Punkt 6 Uhr 30. Und stellt bitte keine Fragen. Bringt Joe mit – er wird schon wissen, was Sache ist. Und kommt mit dem Kombi. Das Kino beginnt um sieben.«
    Sie marschiert auf die Landstraße und trägt ihren Biskuitkuchen, in einer Hutschachtel sicher verstaut, mit beiden Händen vor sich her, als handele es sich um eine rituelle Opfergabe. Ihr schräges Outfit lässt diverse Autofahrer elektrisiert auf die Hupe drücken, und auch von der Terrasse des Shakespeare’s kommt mehrfach der Ruf »Hey, was soll’s denn kosten, Schätzchen?«
    Die Frau an der Rezeption des hoffnungslos hinterwäldlerischen Altersheims fällt fast in Ohnmacht, als Gloria durch die Tür fegt und aufreizend sagt: »Ich liefere ein klingendes Telegramm für Ihren Heimleiter Steve ab.«
    Noch immer unter Schock, führt die überforderte Assistentin Gloria den Gang hinunter und bringt sie zur Tür, neben der der Name und Titel des Mannes in goldenen Lettern an der Wand prangen.
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