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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom
Autoren: Martin Keune
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Denken kann ich gerade so gut wie seit Wochen nicht mehr. Und wenn ihr jetzt mal euern mit allen möglichen technischen Schikanen aufgedonnerten Mordwagen durchsucht, dann werdet ihr ganz sicher auch diese verdammte Gasgranate finden. Fasst das Ding vorsichtig an, damit es euch nicht in den Fingern explodiert!«
    Â»Das könnt ihr bleiben lassen.« Belforts Stimme war kühl und klar und trotz der unerhörten Beschuldigungen vollkommen gelassen.
    Sándor schüttelte den Kopf.
    Â»Machen Sie sich keine Mühe, Belfort – die Sache ist glasklar. Geben Sie’s auf.«
    Belfort lächelte, und im Schein der Blendlaterne wirkte dieses feine Lächeln in dem ausdruckslosen Gesicht nicht dämonisch, nicht holzschnittartig, sondern blass und dünn und endgültig.
    Â»Ich gebe es ZU, Lehmann, Sie lumpiger Versager, aber ich gebe nicht AUF. Während Sie hier draußen mit Ihrem Schwiegerpapa in spe über die Aussteuer verhandelt haben, war ich nicht untätig. Ich war sowieso immer der Fleißigere von uns beiden, meinen Sie nicht? Jedenfalls finden Sie Ihre sehnsüchtig gesuchte Gasbombe nicht im Mordwagen, sondern drinnen im Saal. Und … oh, ich habe die Tür hinter mir zugezogen, als ich eben rauskam, und eine Klinke gibt es nur innen.«
    Sándor riss sich aus der ohnehin nur noch halbherzigen Umklammerung der Schutzleute und schüttelte Belfort am Kragen.
    Â»Du Schweinehund hast das Ding schon deponiert – wo, sag mir wo, du Drecksau!«
    Belfort zog missbilligend die Augenbrauen hoch.
    Â»Sie sind doch angeblich Musiker, auch wenn es sich nur um abartigen, wertlosen Niggerjazz handelt. Also bemühen Sie sich auf die Bühne mit Ihrer Klarinette, Ihr Auftritt findet in wenigen Sekun den statt! Die Bombe ist im Schlagzeug versteckt, direkt in der großen Trommel. Ein Fußtritt, und das kleine, technische Wunderwerk des armen Robert Schreyer geht hoch. Und nachdem die atavistischen Balzgesänge zum Klavier ja nun gottlob vorbei sind, dürfte sicher jeden Augenblick jemand den nächsten Fruchtbarkeitstanz mit der Trommel einläuten, denken Sie nicht? Bumm, Bumm … BUMM!«
    Sándor fluchte wie ein Kutscherknecht, schrie den drei Schutzmännern ein paar Anweisungen zu und rannte los.

SOLO FÜR KLARINETTE
    Längst nicht alle Bands auf dem Programmzettel hatten so bekannte, klangvolle Namen wie die »Follies«, »Sid Kay’s Fellows«, die »Original Orphans« oder »Weintraubs Syncopators«, die jeder Berliner durch ihren Auftritt im Film
Der blaue Engel
kannte. Jenitzky hatte viele Kapellen auf gut Glück angeheuert, um die Nacht lang werden zu lassen und dem Publikum aufregende Newcomer bieten zu können. »Bessie and the Blue Beasts« waren so ein Fall; niemand hatte von der Combo jemals gehört, und weil der Name Assoziationen an Bessie Smith und ihren erfolgreichen, aber musikalisch etwas unmodern gewordenen Blues weckte, hatte man die Band zwischen die kleineren Duo- und Trioformationen und die großen Bands gepackt. Fünf Musiker waren angekündigt, die pünktlich die zweite Bühne betraten. Der Schlagzeuger setzte sich an die vorbereitete »Schießbude«; das Klavier wurde noch ein wenig nach vorn geschoben, dann flammten die Spotlights auf, es ging los. Ein Raunen ging durchs Publikum. Der Bandleader und Leadsänger trug schwarze Lackschuhe zum hellgrauen Smoking, einen aufgemalten, schnörkeligen Menjoubart – und war unverkennbar eine Frau. Es war Bella, die gelassen im gleißenden Licht stand, wartete, bis die Unruhe sich gelegt hatte, und dann zur Begrüßung ein paar Worte sagte:
    Â»Guten Abend, Freunde des Niggerjazz« – Johlen, einzelne Pfiffe –, »guten Abend Berlin! Ich bin Bella, nicht Bessie«, sie grinste, »da war wohl ein Druckfehler im Programm, und die Herren hinter mir sind das blaue Biest, leider keine echten schwarzen Männer also, aber blau wie der Blues!« Gelächter. Bella nickte. »Als Berliner Sängerin arbeite ich in vielen Kapellen; ein paar davon begleite ich heute Abend noch, Damen und Herren. Was Sie nur jetzt und nur hier hören, ist eine Band mit weiblichem Bandleader.« Einzelnes Klatschen, Johlen. »Warum ist das eine Ausnahme im Jazz? Auch Hot Ladys haben den Blues!«
    Sie schnippte mit den Fingern, sehr langsam, und begann mit den ersten Takten eines Bessie-Smith-Schallplattenerfolges, »I
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