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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom
Autoren: Martin Keune
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den nächsten Monaten über die Runde kommen zu können. Aber sieht das Bella genauso? Glaubt sie selbst wirklich daran, dass Sie mit diesem Swingzirkus da drin« – aus dem Saalinneren drangen jetzt die ersten Pianoakkorde, eine kühle Stimme intonierte einen der Standards, sanfter Blues gab einem somnambulen Piano einen leichten Drive, der beim Publikum nur mäßig gut ankam –, »glaubt Ihre Tochter daran, dass Sie Ihre morsche Finanzlage noch retten können? Oder hat sie vielleicht längst beschlossen, dass die einzige Rettung die Auszahlung einer monströs großen Versicherungssumme sein kann – einer Versicherungssumme nach einer Katastrophe? Einer Gasbombenexplosion, zum Beispiel?«
    Jenitzky konnte viel vertragen, körperlich und mental. Doch wenn einer seiner kleinen Bella solche üblen Sachen zutraute, dann sah er offenbar rot. Ohne sich mit einer Antwort aufzuhalten, packte er Sándor am Kragen, hob ihn ein paar Zentimeter in die Luft und drückte ihn an die kantigen Backsteine einer Hauswand.
    Sándor fluchte.
    Â»Hör auf mit dem Scheiß, hör mir zu, wir müssen …«
    Er zappelte sich unter Jenitzkys kräftigen Armen frei und trat ihm die Beine weg. Jenitzky stieß einen Schmerzensschrei aus und klatsche mit dem Gesicht nach vorn auf den Gehweg. Bevor er sich umdrehen konnte, war Sándor Lehmann über ihm, riss ihn herum und drückte ihm das Knie auf die Gurgel. Jenitzky brüllte vor Wut, aber er konnte sich unter dem eisernen Griff nicht rühren. Sándor drückte seine beiden Arme seitlich auf das Kopfsteinpflaster und war jetzt ganz nah an seinem Gesicht.
    Â»Habe ich dir gesagt, dass du mit dem Scheiß aufhören und mir zuhören sollst, du Arschloch?«, herrschte er ihn an, doch in diesem Augenblick bekam er selbst einen schmerzhaft harten Stoß in den Nacken – die Mündung eines modernen, entsicherten Polizeirevolvers.
    Â»Wir hören jetzt ALLE mit dem Scheiß auf und stehen ganz langsam auf«, sagte Belforts Stimme, »und zwar mit erhobenen Händen und so langsam, wie es nur geht.«
    Sándor ließ von Jenitzky ab, erhob sich in Zeitlupe und drehte sich dann langsam um. Belfort, der hinter ihnen aus dem Künstlereingang gekommen war, stand mit ausgestrecktem Arm vor ihm und richtete die Waffe jetzt direkt auf sein Herz. Die Straße war dämmerig, doch seitlich von ihnen war deutlich die näher kommende Silhouette des notorischen Schupo-Trios Hansen, Schmitzke und Plötz zu erkennen. Es gab keinen Fluchtweg, und Sándor nahm langsam die Hände hoch. Belfort nickte zufrieden, und seine Augen glänzten boshaft.
    Â»Da haben wir ja den geheimnisvollen Klarinettenspieler mit dem roten Schnurrbart, den Gasmörder aus der Femina. Los, Abschaum, mach eine einzige Bewegung, und ich schieße dir ein Loch in die Brust – aber nicht im Klarinettenformat, sondern so, dass eine Tuba durchpasst!«

BAD ASS BLUES
    Sándor Lehmann musste grinsen, so absurd war die Situation. Eine einzige Bewegung, und er hätte den falschen Schnurrbart in der Hand und könnte den Irrtum aufklären. Doch genau diese eine Bewegung konnte er sich nicht leisten; der erfolgshungrige Kollege ihm gegenüber würde ihm eine Kugel in die Brust schießen, bevor er auch nur das erste Barthaar berührt hätte. Oder war – Sándor schoss unvermittelt ein verrückter Gedanke durch den Kopf – genau das Belforts Plan? Den Klarinettisten der »Julian Fuhs Follies Band« hier draußen auf dem abendlichen Kopfsteinpflaster zu erschießen, um ihm danach mit der gut dokumentierten Zeugenaussage des Gasbombenbauers das Attentat anzuhängen? Ein Karriereschachzug? Oder … was sonst?
    Sándors Gedanken rasten, während die Zeit stillzustehen schien. Der Verkehrslärm aus der Friedrichstraße drang verlangsamt, leiernd wie auf einem ausgelaufenen Aufziehgrammofon in sein Gehör, und Hansen, Schmitzke und Plötz schienen reglos in der Luft zu hängen; jeder ihrer Schritte dauerte eine Ewigkeit. Sándor dachte nach in dieser einen, zeitlosen Sekunde. Es war doch so: Belfort wusste ja schließlich nicht, dass er selbst der Klarinettenspieler in der Fuhs-Combo war. Und Belfort konnte auch nicht ahnen, dass der riesige rote Schnurrbart nur eine Bühnendekoration war, die Sándor im Alltag nicht trug. Mit dem er auch – schon wegen der
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