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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom
Autoren: Martin Keune
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Julian Fuhs akzentuierte die Strophen mit einem elegischen, fast feierlichen Klavier – und über alldem flatterte und trudelte Sándors Klarinette in einem jubelnden, fast schluchzenden letzten Tanz.

NACHWORT
    Mein Roman
Black Bottom
erzählt von fiktiven Verbrechen in einer alles andere als erfundenen Welt – der Tanzpalastszene der ausgehenden Weimarer Republik. Sándor Lehmann, Bella, Belfort und Jenitzky sind erfunden – auch wenn für Letzteren mit seinem ebenfalls erfundenen Café der Friedrichstädter Gastronom Gustav Steinmeier Pate gestanden haben mag. Alle anderen Hauptpersonen und Schauplätze haben existiert. Einen Gasangriff musste der am 1. Oktober 1929 eröffnete Tanzpalast Femina in der Nürnberger Straße während seines von Schließungen, Konkursen und Wiedereröffnungen geprägten Bestehens allerdings nicht erleben; heute bringt das Hotel Ellington das noch immer berückend schöne Haus zu neuem Glanz. Inhaber Heinrich Liemann verließ Deutschland als Jude 1933 und ging nach London. Er wurde 1934 ausgebürgert; in England verliert sich seine Spur.
    Einen ersten großen Kapellenwettbewerb – im Buch Jenitzkys Idee – führte 1931 das Café Schottenhaml in der Bellevuestraße 11 durch, das 1933 als Moka Efti am Tiergarten das Stammhaus in der Friedrichstraße verstärkte.
    Julian Fuhs (1891–1975) heiratete Lily Löwenthal im Dezember 1930. Er war mit seiner in der Nürnberger Straße 16 eröffneten kleinen Bar zuletzt immer häufigeren nationalsozialistischen Angriffen ausgesetzt und verließ Deutschland 1933. Fuhs ging 1936 in die USA, wo er seine Musikerkarriere nicht fortsetzen konnte. Er starb 1975 in Miami. Viele seiner im Buch genannten Jazztitel – auch »Herr Lehmann« mit dem ebenfalls emigrierten späteren Hollywood-Komponisten Walter Jurmann – sind heute Klassiker der deutschen Tanzmusik.
    Sämtliche in Kapitel 19 im (fiktiven) Artikel des
Lokal-Anzeigers
aufgelisteten Bandleader und Orchesterleiter mussten Deutschland ab 1933 verlassen, weil sie Juden oder politisch verfolgt waren. Längst waren gewalttätige Auseinandersetzungen mit SA-Leuten oder Mitgliedern von Rosenbergs »Kampfbund für deutsche Kultur«, die Jazzkonzerte stören oder verhindern wollten, an der Tagesordnung. Zudem war der Jazz teilweise sogar schon vor 1933 aggressiven Verbotswellen ausgesetzt. Schwarze Musiker bekamen Auftrittsverbot, und insbesondere der im Buch erwähnte Dr. Wilhelm Frick (1877–1946, hingerichtet) bemühte sich schon als Staatsminister in Thüringen 1930 erfolgreich um ein »Jazzverbot« in seinem Einflussbereich. 1933–1943 war Frick Reichsminister des Innern und in dieser Funktion hauptverantwortlich für die Umsetzung der Berufsverbote für Juden und Kommunisten, von denen jüdische Musiker in vollem Umfang betroffen waren. Das »Reichskartell der deutschen Musikerschaft« gab Lizenzkarten aus, ohne die es keine Auftrittsmöglichkeiten mehr gab. 1933 vollendete die Gründung der »Reichsmusikkammer« die »musikalische Machtergreifung« (Bernd Polster). Jazz und Swing fristeten ihr Dasein in als Geheimtipps gehandelten Kellerlokalen, gegen deren Wildwuchs die personell unterbesetzten staatlichen Kontrolleure allerdings in der Regel machtlos waren. Und auch wenn die großen Konzerte an den populären Spielorten meist erfolgreich unterbunden werden konnten: In diesen kleinen Bars und auf den Plattentellern der Enthusiasten rettete sich der Jazz über die dunklen Jahre.
    Vielleicht waren die emigrierten Bandleader durch ihre Konzerttourneen abrupte Ortswechsel gewohnt, viele sind wohl auch von Auslandsauftritten nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt, jedenfalls fällt auf, dass alle oben genannten Orchesterleiter den Faschismus überlebt haben – ein Glück, das vielen unbekannteren jüdischen Musikern nicht beschieden war. Die Geschichte der Jazzorchester in Gettos, Straf- und Konzentrationslagern ist noch nicht annähernd umfassend geschrieben; Augenzeugenberichte (etwa vom Gitarristen und Drummer Coco Schumann) geben hier erste, erschütternde Einblicke.
    Ernst Gennat (1880–1939), der stetige Erfinder und Erneuerer der Berliner Kriminalpolizei, blieb auch nach 1933 trotz kritischer Distanz zu den Nationalsozialisten auf seinem Posten. Er arbeitete schon wegen seiner enormen Leibesfülle nur mehr vom
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