Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom
Autoren: Martin Keune
Vom Netzwerk:
Blicken sondierte, ob ihre Jungs, die »Blue Beasts«, für eine gemeinsame Übernahme der ersten Geige in dieser »Second Fiddle« bereit waren – und das waren sie.
    Also schmetterte sie seiner Klarinette vom vordersten Bühnen-rand aus noch ein paar wütende Bluesverse entgegen:
    Â»Let me tell you daddy,
    momma ain’t gonna sit here and grieve,
    Pack up your stuff and get ready to leave!«
    Sie zählte mit dem rechten Fuß stampfend den Takt, rief noch einmal »get ready … to leave!« – und alle Musiker legten gleichzeitig los, um Sándors verzweifelt vorlauter Klarinette gemeinsam das Maul zu stopfen.
    Nur aus der Schlagzeugecke war anstelle des erwarteten rhythmischen Trommelns ein unkoordiniertes Poltern zu hören. Hansen und der dicke Plötz hatten eben ihren Posten erreicht, sich von der Nebenbühne aus auf Max Rumpf geworfen und ihn in dem Moment, in dem der Schlagzeuger das Fußpedal der dicken Trommel bedienen wollte, vom Hocker rückwärts in die Kulisse gerissen.
    Das Publikum raste. Hier bei Jenitzky war immer was los, sogar bei der Jazzmusik – es war zum Totlachen.

BLACK BOTTOM
    Â»Von Jazzmusik habe ich leider keine Ahnung, von Musik insgesamt nicht. Ehrlich gesagt könnte ich nicht mal einen Walzer aufs Parkett legen, aber Mannometer«, Bernhard Weiß schüttelte lachend den Kopf, »bei Ihrem Auftritt im Café Jenitzky wäre ich gern dabei gewesen. Jedenfalls jetzt, wo wir wissen, dass es glimpflich ausgegangen ist. Tagsüber Kriminalpolizist, nach Feierabend Klarinettenspieler in einer Jazzkapelle, na, Sie machen ja Sachen … Hat Gennat schon versucht, Sie für dieses neue Polizeiorchester anzuheuern, das er bei der Kripo auf die Beine stellen will?«
    Sándor zog eine Grimasse und lachte.
    Â»Hat er. Polka, Schiebertänze, Marschmusik … Er könnte besser ’ne Drehorgel mit Blaulicht vor dem Zug herziehen lassen und sich den Aufwand sparen, bei diesem Musikgeschmack!«
    Weiß strahlte milde durch seine dicken Brillengläser und wurde dann wieder ernst.
    Â»Belfort hat gestanden, höre ich.«
    Sándor nickte und zeigte auf das umfangreiche Vernehmungsprotokoll.
    Â»Umfassend. Es war kein Geständnis, es war eine hasserfüllte Predigt; in der Kladde da können Sie alles nachlesen, wenn Sie sich den Tag versauen wollen. Er ist überzeugt davon, das Rich tige getan zu haben; einen heldenhaften, einsamen Kampf gegen die Unterwanderung unserer Kultur zu führen. Den ›Kampfbund für deutsche Kultur‹ hält er für ein untätiges Kaffeekränzchen, obwohl er im Grunde ganz ähnliche Ansichten hat – Kultur bolschewismus, jüdische Geschäftemacherei, Negermusik, mit der die hehren kulturellen Werte unseres Volkes madig gemacht und der kulturellen Fäulnis preisgegeben werden. Und so weiter und so weiter.«
    Bernhard Weiß legte die Stirn in Falten.
    Â»Also schützt er das Volk vor dieser Musik, indem er es mit Gas vergiftet?«
    Â»Ja. Natürlich nicht das eigentliche deutsche Volk, sondern nur die dekadenten, jüdisch-kommunistischen Subjekte, die dieser Musik verfallen sind und der Verwahrlosung unserer Sitten applaudieren.«
    Weiß schwieg und schüttelte nur den Kopf. Dann sagte er:
    Â»Sagenhaft, wie Sie das alles herausgefunden haben. Gennat ist ja überzeugt davon, dass ein Fall in den ersten Tagen nach der Tat aufgeklärt wird – oder nie. Dass Sie das trotz aller Rückschläge noch hingekriegt haben, war gute Arbeit, Lehmann.«
    Sándor wehrte das Lob ab.
    Â»Ich wollte, es wäre so. Letztlich habe ich Glück gehabt, unverschämtes Glück. Ich habe Belfort gehasst wie die Pest, ich hätte ihm wegen seiner Überheblichkeit und diesem ganzen nationalsozialistischen Unsinn am liebsten die Fresse poliert – aber dass er selbst der Giftmörder ist, habe ich wirklich erst kapiert, als er beim Verhör den Bombenbauer aus einem Impuls heraus doch selbst ansprach und so zu Tode erschreckt hat, dass er sich in der Zelle aufgehängt hat. Dass Belfort ausgerechnet den mysteriösen Schnurrbartmann gespielt hat, damit der Kerl sich sein Gesicht besonders gut merken kann, war eigentlich ein genialer Schachzug; ich wäre nie drauf gekommen, dass da was faul war, wenn ich nicht selbst der Mann mit dem Schnurrbart gewesen wäre. Und selbst mich hätte er ja um Haaresbreite über den Haufen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher