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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß
Autoren: Antje Ippensen
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»mehrschichtigen Akronym«, also, der Ausdruck gefällt mir wieder. Der hat was. Dabei denke ich an die Vielfalt zartharter Sessions, an die vielen Schichten dieses Lifestyles. Verflixtes Denglisch, aber es geht nicht mehr ohne. Ich weiß noch, wie ich im Pervy.com-Chat zusammenzuckte, als ein jungscher Dom von seiner »Reitgerte in stylishem Blue« schwärmte; inzwischen habe ich mich an so etwas gewöhnt. Accessoires sind für die meisten SMler sehr wichtig.
    SM – ja, ich bevorzuge nach wie vor diese beiden Buchstaben, um meine Neigung zu benennen, auch wenn Wiki ihnen in missbilligendem Tonfall »Unschärfe« attestiert.
    Rollen mir einfach leichter über die Zunge. Nette Wortspiele wie SMarties und SMiteinander sind möglich.
    Bill liebt sein Land, besonders Arizona (kann ich gut verstehen – ah, das Traumland meiner Kindheit, die bizarren roten Felsen, die immer in den Western vorkamen, Indianer, Marterpfähle, fest angezogene Fesseln …), er wählt die Demokraten und wünscht sich, dass einmal eine Frau oder ein Schwarzer Präsident der Vereinigten Staaten wird.
    Davon abgesehen, finde ich ihn ziemlich europäisch. Seine Mutter ist Österreicherin und lebt in Spanien, seine Vorfahren väterlicherseits sind aus Irland in die USA ausgewandert, während der großen Hungersnot damals, ausgelöst durch den Kartoffelkäfer.
    Als ich Bill neulich von dem neuesten Theaterstück erzählte, in dem Marie-Louise auftreten würde und das »Wunderbares Älterwerden« heißt, hörte er aufmerksam hin und meinte, dass meine Mitbewohnerin eine faszinierende Persönlichkeit sein müsse, womit er mich noch mehr für sich einnahm. Er äußerte sogar den Wunsch, sie kennenzulernen, und sie ist eh schon total neugierig auf meinen neuen Freund.
    Also stellte ich sie beide einander vor, und wir hatten viel Spaß in unserer Wohnküche, vor allem, als Marie-Louise immer mutiger in ihrem französisch gefärbtem Englisch drauflosredete, was sich einfach zum Schreien komisch anhörte.
    Sie und Bill verstanden sich auf Anhieb.
    Auf einmal stellte sich heraus, dass er Spanisch konnte (wegen seiner in Spanien lebenden Mama), was auch Marie-Louise leidlich beherrschte (ihre Mutter hatte ebenfalls lange in Altea gelebt), und ich, na ja, immerhin hatte ich – eingerostete – Grundkenntnisse, die ich jetzt gezwungenermaßen, aber lachend, blankputzte und zum Besten gab.
    Da konnten sich die beiden mal über mich amüsieren, aber ich glaube, ich lachte selbst am lautesten über meine Fehler und meine putzige Aussprache.
    Rechtzeitig zum Abendessen – Dinkel-Spaghetti mit Bolognese-Sauce – was Marie-Louise und ich blitzschnell zauberten, erschien auch der stolze und ernste persische Freund meiner Mitbewohnerin. Sie hat ihn vor kurzem beim Schachspielen im Luisenpark kennengelernt, und auf den ersten Blick passt er so gar nicht zu meiner quirligen, temperamentvollen Freundin, auf den zweiten Blick aber sehr wohl. Er bildet ihr Gegengewicht und sie verhindert wie ein Kork auf der Oberfläche, dass er in die Tiefen orientalischer Melancholie absinkt.
    Er war auch Mitte 50 und sah sehr gut aus, ein bisschen wie der frühere Schah von Persien, nur war sein Gesicht schärfer und edler geschnitten.
    Wir leerten eine Flasche Frascati zu dritt.
    Der Abend klang sehr harmonisch aus. Bills Hand ruhte meistens auf meinem Bein oder auf meiner Schulter, nicht besitzergreifend, sondern einfach nur liebevoll. Manchmal verschränkten sich auch unsere Finger gleichzeitig ineinander.
    Alles ist so vollkommen.
15. August 2003
    Brüllende teuflische Gluthitze eines Wüsten-Augustmonats, wie sie Mannheim noch nie erlebt hat! Alte Leute leiden sehr darunter, und man fängt hier im Südwesten schon an, die Kernkraftwerke von außen mit Wasser zu besprühen, damit deren Fieberkurven absinken …
    Ich bin für meine hellhäutigen Verhältnisse brutzelbraun geworden, und Bill sieht karamellfarbig aus.
    Er hat eine kleine Wohnung in der Oststadt gemietet, direkt an der Augustaanlage, nicht sehr weit von meiner WG entfernt!
    Und das, obwohl er wohl nur noch ungefähr einen Monat in Deutschland bleiben wird.
    Vier bis fünf Wochenenden bleiben uns noch, so wertvoll wie Gold.
    (Ich merke, dass ich es zwar niederschreibe, aber dabei ungläubig auflache und den Kopf schüttele)
    Hm, was ist sonst noch passiert?
    Obwohl die Dinge so wunderbar laufen mit Bill und ich mich so aufgehoben fühle in seiner Freundschaft, seiner Umarmung … trotzdem kann ich nur wenigen
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