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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß
Autoren: Antje Ippensen
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Menschen von meiner Neigung erzählen; das Gefühl, dass es »von der Norm abweicht« (grauenvoller Bürokratenbegriff!) und von den meisten Leuten als pervers empfunden wird, bleibt bestehen.
    Und aus diesem Gefühl heraus bin ich am 10. August zum Christopher Street Day gegangen, ohne selbst lesbisch zu sein (na gut, total auszuschließen war es nicht, man denke an meine komplexe Zuneigung zu Alpha, und, in meinen Profiltexten stand auch immer »bi-neugierig); am 10.8. also, als »der Teufel persönlich der Gay-Community ordentlich einheizte«, wie irgendjemand später leitarti-keln sollte. Ich ging hin, weil ich mich noch am ehesten bei anderen Randgruppen der Gesellschaft wohlfühlte, und es machte tatsächlich Spaß, und es gab sogar ein paar mutige Normabweichler, die Latex (bei der Hitze!, wahrhaft masochistisch) und Handschellen trugen.
    Mhm. Ein geiler Anblick.
    Ich wusste nicht, wie der junge Schwule das empfand, der in dem Augenblick neben mir stand, aber er lachte mich so frech und fröhlich an, dass ich mich ohne weiteres von ihm umarmen ließ. Er war kahlrasiert, fast überall tätowiert (soweit ich das sehen konnte, und er zeigte ziemlich viel Haut) und großzügig gepierct – na, und wir fanden uns gleich sympathisch.
    Ich mochte diesen typischen, etwas manierierten schwulen Tonfall, in dem er sprach; er hieß Jo, war schon 29, wie er seufzend erklärte, er strich sich mit den sorgsam manikürten Fingern über die Glatze, die ein Löwen-Tattoo zeigte (sein Sternzeichen, wie sich nachher herausstellte).
    Und nachdem die CSD-Parade vorbei war – wir hatten Bonbons und Kondome aufgefangen, die uns aus den Wagen herausgeworfen worden waren – beschlossen Jo und ich, noch gemeinsam was trinken zu gehen, und da zeigte sich mal wieder, dass es einfach keine Zufälle gibt.
    Jo suchte nämlich dringend eine Mannheimer Wohnmöglichkeit – im Moment nächtigte er mitsamt seinen Habseligkeiten auf der Couch eines Freundes in Ludwigshafen. Seine Mama würde für die Miete aufkommen, ansonsten sei er nämlich Lebenskünstler und würde mal so, mal so durchs Dasein tänzeln. Zurzeit sei er Hundesitter.
    »Ich glaube, du würdest gut in unsere WG passen«, erklärte ich da, und sein hübsches schmales Gesicht verwandelte sich buchstäblich in eine strahlende Löwensonne.
    »Ich hoffe, du magst Katzen«, sagte ich mit einem Hauch Besorgnis; Jo jedoch warf in gespielter Entrüstung die Hände hoch: »Soll das ein Witz sein? Ich LIEBE Samtpfoten – überhaupt alles, was kätzisch ist, auch Tiger, Panther, Löwen … alles meine Tiere, weißt du, Janet.« (So kam heraus, in welchem Tierkreiszeichen er geboren war).
    Wir redeten noch lange über Katzenrassen, Astrologie, Jos schwules Selbstverständnis, dass er zurzeit überzeugter Single sei mit einem Hang zum anonymen Sex (»aber immer safe, Janet!«) … und ich war schon drauf und dran, mich ihm gegenüber als SMlerin zu outen, hatte dann aber doch Hemmungen. Er war mir ja noch fast fremd.
    Schwulsein war mittlerweile anerkannt, sadomasochistisch zu lieben nicht. Das geheime Randgruppen-Solidaritätsfeeling verband diese beiden Randgruppen nicht, wie mir schien.
    Jo hatte ein sehr liebevolles Verhältnis zu seiner Mama; wie ich es vorausgesehen hatte, mochte er Marie-Louise von Anfang an total, und sie fand ihn »mignon«.
    So hatten wir endlich wieder einen Mitbewohner. Begeistert bezog Jo schon drei Tage später das frühere Steffi-Zimmer.
    Bill und ich haben seine hübsche, helle, möblierte Wohnung in einer dieser Tropennächte eingeweiht – und das auf höchst stilvolle, gerade für mich höchst befriedigende Weise.
    Nun, für ihn auch.
    Es begann damit, dass ich ihn, nur halb neckend und spielerisch ein wenig herausforderte, indem ich behauptete, dass er wohl kein Hardcore-Dom sei.
    Er musterte mich, und seine Augen wurden auf höchst attraktive Weise noch ein wenig dunkler als sonst. Sie glühten von innen heraus. Versonnen sagte er: »Oh, I could be one.«
    Mehr nicht, aber mit spezieller Betonung. Und er fügte nicht etwa hinzu, »wenn du es möchtest«; nein, auch ihn reizte es, seine eigenen Grenzen auszuloten, das spürte ich haargenau. Er war keiner dieser Wunscherfüllungs-Pseudo-Tops, zu denen sich Marie-Louises Onkel Marcel gezählt hatte, also so einer, der ständig das tat, was seine Partnerin wollte, auch wenn es ihm gar keine echte Freude bereitete, sadistisch oder dominant zu agieren.
    Als ich mich unter seinen strengen dunklen Augen langsam
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