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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille
Autoren: Andreas Schmidt
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unbürokratisch helfen. So manch einer
wäre gestorben, wenn er auf die Freigabe eines Medikaments
gewartet hätte. Nein, Christoph wollte den Menschen einfach
nur helfen, ist das so schwer zu verstehen?« Ein schriller
Unterton schwang in ihrer Stimme mit. »Wenn herausgekommen
wäre, was er getan hat, hätte das sein Ende bedeutet. Er
wäre ins Gefängnis gewandert, und sein Traum wäre
wie eine Seifenblase
zerplatzt.«    
    »Was war sein
Traum?«, fragte Stefan.
    »Er wollte
helfen. Mit dem Geld, das er zusätzlich verdiente, wollte er
seine Patienten noch besser betreuen. Sie wissen selber, wie
schlecht es um das deutsche Gesundheitswesen steht, wir sind auf
dem Weg in die Zweiklassengesellschaft, und das nicht erst seit der
Einführung der Zehn-Euro-Praxisgebühr. Christoph
verdiente gut, doch er hatte die Nase voll davon, der Prellbock
für Patienten, Politik und Krankenkassen zu
sein.« 
    »Deshalb hat er
sich ja auch auf Privatpatienten konzentriert«, murmelte
Heike.
    »Dort ist das
schnellere Geld zu machen, ja. Er hatte viel vor.«
    »Zurück zu
seinem Traum.« Stefan räusperte sich.
    »Wir hatten
große Pläne, wollten nach Afrika gehen und den Menschen
dort eine medizinische Betreuung bieten. Christoph war kein
schlechter Mensch, das müssen Sie mir
glauben.«
    »Wir glauben an
Fakten«, entgegnete Heike unbeeindruckt.
    »Sie wissen zu
viel.«
    »Wir wissen,
dass Sie drei Menschen getötet haben«, erwiderte
Heike.
    »Halt das
Maul!«, kreischte Jeanette Klinke. »Halt dein
blödes Maul! Ich habe das getan, um Christoph zu
schützen, ich wollte ihm den Rücken
freihalten.«
    »Christoph ist
tot«, erinnerte Stefan sie.
    Sie riss die Hand, mit
der sie die kleine Pistole hielt, herum. »Ihr seid auch tot.
Ich werde nicht ins Gefängnis wandern, weil zwei neugierige
Reporter eine Geschichte wittern und an die
Öffent l ichkeit bringen. Ich werde
…«
    Plötzlich
splitterte Glas, ein Scherbenregen prasselte ins Zimmer, und jemand
rief: »Auf den Boden mit euch!«
    Jeanette Klinkes
Gesichtszüge schienen zu entgleisen, als sie auf dem Absatz
herumwirbelte. Sie war außerstande zu reagieren, denn im
nächsten Moment peitschten Schüsse durch die Luft.
Jeanette Klinke zuckte, von einer Kugel am Arm getroffen, zusammen
und riss im Affekt den Finger am Abzug durch. Mündungsfeuer
blitzte auf, dann fiel die Pistole polternd auf den Dielenboden der
Hütte.
    Im selben Augenblick
spürte Heike einen brennenden Schmerz an der Schulter. Hitze
breitete sich in ihrem Körper aus. Als sie von der Couch
glitt, sah sie, dass auch Jeanette Klinke getroffen zu Boden ging.
In Todesangst starrte sie auf die klaffende Wunde in ihrem Arm. Ein
Blutfleck bildete sich.
    Heike schien es, als
würden sich die Ereignisse in Zeitlupe abspielen.
Stimmengewirr drang verzerrt an ihre Ohren. Sie hörte Schritte
und Schreie. Der Schmerz lähmte ihren Körper, und sie
fragte sich, ob es sich so anfühlte, wenn man
starb.
    Danach wurde es dunkel
um Heike. Die Angst, nicht mehr auzuwachen, hämmerte durch
ihren Schädel. Das Letzte, was sie wahrnahm, war Stefans
gellender Schrei. Dann tauchte sie ins Nichts ab.

68
    Mittwoch
    Bethesda-Krankenhaus, 13:05
Uhr
    »Sie kommt zu
sich.«
    Zunächst erkannte
sie die Gestalten nur schemenhaft. Sofort war da wieder diese
Todesangst, die sie zuletzt gespürt hatte. Heike blinzelte. Es
dauerte einen Augenblick, bis sie in die Realität
zurückkehrte. Ihr Körper fühlte sich taub an, und
jede Bewegung bereitete ihr höllische Schmerzen. Als sie
schlucken wollte, spürte sie den Kunststoffschlauch, der in
ihrem Mundwinkel klemmte und der sie wie Frankensteins Monster
grinsen ließ. Ein pelziger Geschmack breitete sich in ihrem
Mund aus.
    Die Stimme kannte sie.
Stefan, das war Stefan gewesen.
    »Dann aber bitte
nicht zu lange. Sie muss sich noch ein paar Tage
schonen.«
    »Natürlich.«
Wieder Stefan.
    »Mach dir nicht
ins Hemd, Weißkittel. Wir werden sie nicht ans Limit bringen.
Immer schön im grünen Bereich fahren, damit kenne ich
mich aus, Meister.« Bassstimme, beruhigender Unterton, hatte
etwas Väterliches an sich. Das war Kalla.
    Und wieder die andere
Stimme: »Wie Sie meinen.« Türklappern,
Stille.
    Heike blinzelte. Jetzt
erkannte sie die schemenhaften Gestalten im Zimmer. Alles hier war
weiß. Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, dass sie
sich in einem Krankenzimmer befand. Langsam kehrte die Erinnerung
zurück. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie die Kugel aus Jeanette
Klinkes Waffe
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