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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02
Autoren: Karl Bleibtreu
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Kantus: Der Spritus im Keller brennt.«
    »Und a – alles steht in Fla – a – ammen!« gröhlte der »Bulle« mit fürchterlicher Stimme. Sogar der gelehrte »Peter« sang falsch mit. Als angehender großer Philologe saß er wie die sieben Weisen Griechenlands und lächelte selig stupide mit vorspringender breiter Unterlippe, von der ein sanfter Speichel floh.
    »Sieben verschollene Sprachen in sieben Speichelkanälen!« seufzte Otto tief bewegt, »O, diese gigantische Lippe, dies versteinerte Frühlingslächeln! Petrus, du bist der Fels, auf den wir nicht bauen.«
    »So witzig bist du?« freute sich der unerschütterliche Weise. »Ich habe dich doch lieb.« Und er aß würdevoll die letzte Wurst auf.
    Otto entledigte sich seiner Getreuen: »Du, ›Hamster‹, du ›Kazike‹, du, andalusischer Stier, ›Stadtbulle‹ geheißen, ihr seid entlassen mit Verdacht. Ich muß meinen Rausch verschlafen.«
    »Lüg nicht, sonst kümmt's Tüfeli!« biederte der Bulle. »Dein Rausch! So was hab' ich noch nie gegessen.« Der »Jude« lallte: »Bruder, du bist ein edler Mensch. Und bin ich erst eine Blume der Ritterschaft, so kannst du mir – siehe Götz v. Berlichingen.« Das »Bild« vertraute dem schönen »Cerevesianer« an, er sei ein Bild ohne Gnade und habe bei Weibern Pech, worauf der magenkranke verdrießliche Lauenstein seinen Gram ausschüttete: »Wir Theologen bringen's nur zu einer Köchin.«
    Die junge Garde ergab sich, die alte starb in Schönheit. »Kein Fett in der Suppe«, wimmerte der »dicke Herr«, als man ihn an die frische Luft geleitete. Über sein Glas zusammengeknickt, weissagte Keyserling: »Ich spucke Blut. Ade, du schöne Welt, ich muß dich lassen.« Alle Überlebenden stimmten das Katerlied an: Ach, schießt ihr schlecht! Ade, mein Land Tirol! ...
    Otto erwachte aus dem Halbtraum. Das war fast 25 Jahre her, ein Lustrum, ein Menschenleben nach Durchschnitt jeder Mortalitätsstatistik. Und er kneipte hier im Norden, näher der Newa als dem Rhein, selbst schon ein »alter Herr«, dem die Haare ausfielen auf dem Haupt, das immer einen Gedanken trug. Was hatte er erreicht? Nichts. 25 Jahre – Herrgott, 25 Flaschen Champagner, die Wette mit Coffin! Die ist mit Glanz verloren. Er muß mich aber vom Selbermitbringen des Champagners übers Weltmeer entbinden, ich werde an Motley schreiben. Doch vielleicht ist er schon selber abmarschiert ins unbekannte Land, sein Name Coffin (Sarg) wäre passend dafür. Oder soll ich ihm vorschlagen, er soll die Wette prolongieren wie einen Wechsel? Noch zehn Jahre? Langt nicht. Fünfzehn Jahre? Vielleicht machen wir's dann ... Er ging festen Schrittes zu Bette.
    *
    Als er nach Berlin zurückkehrte, bedeutete ihm Manteuffel, es gehe dem König besser. »Anfang Oktober kommt der Zar. Da redet man wohl über Schleswig-Holstein. Meinen Sie, Napoleon wird sich einmischen?«
    »Durchaus nicht. Wäre er Englands sicher – doch das ist schon recht eifersüchtig. Auch sollen ja Verhandlungen matrimonialer Natur zwischen uns und England schweben.« Manteuffel nickte. »Zudem wird er sich hüten, mit Deutschland gerade wegen der Frage zu brechen, die alle deutschen Kabinette gegen ihn vereinen würde. Das heißt die Weisheit dieses klugen Regenten verleumden.«
    »Wenn wir mit Österreich Hand in Hand die Frage lösen –«
    »Das wäre gerade ein Fehler. Denn Napoleon sucht Bruch mit Österreich, und man darf ihm keinen Vorwand geben. Die ganze Verantwortung muß diesmal auf den Bundestag abgeschoben werden. Wir müssen, ohne uns selbst allein zu engagieren oder uns mit Österreich einzulassen, die allgemeine Bundesexekution beantragen und veranlassen. Das kostet noch viel Arbeit, denn ich sehe schon Rechberg am Werke, wie er uns im Ausland als Friedensstörer und beim Bundestag als lauwarme Unzuverlässige denunziert. Wir müssen halt tragen und durchhalten.«
    Manteuffel macht Hum und Ha, willigte aber ein: »Ich lasse Ihnen freie Hand. Übrigens drücken uns hier nähere Sorgen. Werden Sie den Thronfolger in Baden-Baden aufsuchen? Man kann nie wissen –« Beide schwiegen, dann warf der Minister hin: »Der Zar ist ein starker Raucher. Majestät müssen sehr vorsichtig sein für ihre Kopfnerven. Doch Sie wissen ja, wie es damit ist!« Mit der Laune eines verzogenen Kindes blieb der König immer hartnäckig beim Gegenteil dessen, was seine Umgebung riet.
    Im vorigen Jahr hatte Otto versprochen, in Malwines schwesterlichen Armen zu liegen, d. h. Kröchlendorf zu besuchen, kam
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