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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02
Autoren: Karl Bleibtreu
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sich so als der ungemischteste Germane bekundet, mögen ihm dies Geblüt die Skandinavier auch streitig machen. Beim Angelsachsen, der jenes Gefühl in hohem Grade besitzt, geht alles in rohphysischem Sport- und Vertilgungstrieb unter. Schießt er auf big game , kann ihm die ganze Schönheit der Natur gestohlen werden. Möglichenfalls seine Insularerziehung zur Seeräuberei.
    Otto war eben ein Deutscher vom Wirbel bis zur Sohle, nichts Deutsches war ihm fremd, ein nationaler Typ, wie ihn in solcher Reinheit kein anderes Volk hervorbrachte und in dem jeder Deutsche sich selbst bespiegeln kann. Von ihm galt, was Goethe vom Nibelungenlied (dieser vom größten Deutschen, dem Alten Fritz, unleserlich genannten Nationalbibel) sagt, daß jeder Deutsche je nach seiner Beschaffenheit etwas darin für sich findet. Das muß eine große Nation sein, in der sich jeder je nach seiner Art diesem riesigen Kerl verwandt fühlt, auf den Wodan – oder Odin hier im Stammland der weißhäutigen, blonden Germanen – absonderlich gnädig lächelt und auf den alle Walküren in Walhalla warten.
    In Kopenhagen fand er einen Heilruf seines alten Universitätsgenossen Graf Keyserling, er müsse sofort bei ihm in Kurland gegen Wölfe, Auer und Wisentelche zu Felde ziehen. Das leuchtete ihm ein. Siegfried und Hagen wollten Schwein, Auer und Wisente jagen, was konnte Kühneres sein? Dazu schlug er Bären und einen grimmen Schelch, der Herr von Niederland.
    »Na, sind Sie nun entschlossen?« fragte Graf Oriola, sein alter Bekannter, mit dem er für Gott eine Lanze brach, jetzt Gesandter in Kopenhagen, der sich äußerst liebenswürdig erwies. »Ich habe aber einen allerhöchsten Befehl, Sie über Berlin abzuleiten«. Otto stöhnte. Die wollen mir selbst meine Ferien, verleiden. Adieu, Dänemark! Wer weiß, wann wir uns wiedersehen! Ist nicht was faul im Staate Dänemark? Die Möven, die sein Schiff begleiteten, krächzten so übelwollend. In Berlin die alte Schmiere. Nur los davon!
    Doch was er erfuhr, war diesmal keine alte, sondern eine neue Peinlichkeit.
    »Sie haben schon wieder ohne Ende geraucht«, begann der König mit schwerer, stockender Stimme. Er schnupperte in der Luft und sog sie mit einer Miene des Ekels ein. »Sie wissen doch, daß diese unästhetische häßliche Unart mir ein Scheuel und Greuel ist, wie dem seligen Goethe. Nächstens wird man noch Briefe in meiner Gegenwart siegeln mit dem widerwärtigen Lack. Nicht mal seine Handschreiben dürfen vor ihm gesiegelt werden, was zu grobem Vertrauensbruch hätte führen können. Auch weiß niemand, ob solches nicht manchmal geschah. »Da sind Sie nun! Ich habe einen Erlaß von mir ausgehen lassen, Sie tot und lebendig zur Stelle zu schaffen. Wie ich wahrnehme, hat mein Gesandter in ... in ... Stockholm diesen allerhöchsten Befehl submissest mit gebührender Devotion vollzogen.« Er brach ab und setzte sich, vor sich hinbrütend. Dann rief er mit klagender Weinerlichkeit: »Mein treues Ländle Neuenburg, zertreten unter den unbesohlten Füßen der Gottlosen!«
    Fassungslos folgte Otto diesem Auftritt, während der diensttuende Flügeladjutant Edwin Manteuffel ihm fortwährend Zeichen machte. »Neuenburg wird unter die Fittiche Euer Majestät zurückkehren«, redete er dem König zu. »Allerhöchst ihr Wille wird von ganz Europa anerkannt, alles beugt sich vor Ihrer erhabenen Person.«
    »Das möcht' ich diversen Illegitimen auch geraten haben!« Eine hektische Röte flog über sein verfallenes Gesicht. »Wenn ich nur nicht so müde wäre!«
    »Jawohl, Euer Majestät müssen jetzt ruhen von dero Überbürdung mit Staatsgeschäften.«
    »Der Ritter v. Bismarck soll sich beim Schloßhauptmann melden«, winkte der König traumverloren. »Der Kreuzzug wider die Ungläubigen ist beschlossene Sache. Ich genehmige die Gesinnungen, welche Euer Liebden mir auszudrücken die Gewogenheit hatten. Doch müssen einige Übeltäter dem Arm des weltlichen Gerichts überliefert werden.«
    Draußen fragte Otto atemlos: »Seit wann?«
    Manteuffel war bleich und kaute an seinem Schnurrbart. »Ich stand heut eine Todesangst aus, jede Annäherung von Unberufenen zu verhindern. Bei Ihnen mußte ich eine Ausnahme zulassen, und Sie werden keinen Gebrauch davon machen?«
    »Mein Wort darauf! Wie ist das gekommen?«
    »Am 9. Juli besuchten Majestät, zur Kur in Marienbad, den Kaiser in Schönbrunn, am 13. kam er über Dresden zurück und traf sich in Pillnitz mit dem König von Sachsen. Dort befiel ihn ein ...
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